Oktober 2023

Das Jahr 2022 war durch schwerwiegende Umbrüche gekennzeichnet. Der Ukrainekrieg stellt die Weltordnung auf die Probe, auch zunehmende Spannungen zwischen den USA und China verändern die Geopolitik. Das Ende der Corona-Pandemie verhilft der europäischen Wirtschaft noch nicht zu einer echten Erholung, denn Lieferkettenprobleme, Energiekrise und Inflation bedeuten für die Unternehmen neue Herausforderungen. Dennoch zeigt sich die Bankenbranche weitestgehend stabil. Aufgrund der Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) kann sie ihre Ertragslage sogar leicht verbessern. Mitten in diesem Spannungsfeld aus schwierigen Marktbedingungen und globalen Krisen zeigen sich die europäischen Banken insgesamt robuster als im Jahr 2021. Robuster aufgestellt, können viele Banken den aktuellen Krisen trotzen. Dabei spielt die weitere Verbesserung der Kosteneffizienz und der Eigenkapitalrentabilität eine grosse Rolle. Der Trend sinkender Cost-Income-Ratio (CIR) und höherer Return on Equity (RoE) hält weiter an und europäische Banken holen im globalen Wettbewerb weiter auf.

Zusammenfassung:

  • Schweizer Banken schneiden bei CIR aufgrund Private Banking Fokus schlecht ab.
  • Verbesserter RoE bei Schweizer Banken bei gleichzeitiger EBT-Steigerung sowie hohen Wachstumsraten beim Eigenkapital.
  • Im europäischen Vergleich investieren Schweizer Banken weniger in IT und Digitalisierung.
  • Dank Ausrichtung auf vermögende Privatkunden erwirtschaften Schweizer Banken die höchsten Provisionsmargen.

Seit Mitte 2022 steigern die schrittweise vollzogenen Leitzinserhöhungen der EZB die Zinsmarge der europäischen Banken. So erweist sich das Zinsgeschäft nach einer jahrelangen Niedrig- und Nullzinsphase erneut als Treiber der Rentabilität. Zugleich entstehen Herausforderungen der Finanzinstitute. Denn mit steigenden Zinsen nehmen auch die Risiken für Kreditausfälle sowie die Finanzierungskosten zu, während Vergabekriterien für Kredite verschärft werden. Steigende Refinanzierungskosten belasten die Banken zunehmend auf der Kostenseite.

Trotz der zuletzt stark gestiegenen Zinserträge dürfen die Banken den eingeschlagenen Weg bei der Optimierung ihrer Kosten und Kundenbeziehungen nicht verlassen. Neue Technologien eröffnen vielfältige Chancen, doch gerade auf der Kostenseite werden sie noch zu wenig genutzt. Digitalisierung hilft, Prozesse ohne Einbussen beim Kundenservice effizienter zu gestalten. Darüber hinaus können gezielte IT-Investitionen in den Bereichen Digital Banking und Kundenorientierung viel bewegen. Der Trend geht in die richtige Richtung, doch viele Banken agieren gemessen am möglichen Innovationstempo noch zu zaghaft.

Das Thema Nachhaltigkeit (ESG) scheint 2022 angesichts der politischen Konflikte und ökonomischen Krisen in den Hintergrund zu rücken. Dabei ist die Notwendigkeit zu Nachhaltigkeit ungebrochen – und langfristiges Denken zahlt sich aus. Wenn der zu erwartende Rückgang der Zinseinahmen in den kommenden Jahren eintritt, wird ESG ein Geschäftsfeld sein, mit dem fokussierte Banken wieder zusätzliche Erlöse erzielen können. Und dies nicht nur, weil der Finanzierungsbedarf bei klimafreundlichen Green-Tech-Lösungen weiter stark wächst, auch im Privatkundengeschäft steigt die Nachfrage.

Die wichtigsten Aussagen unserer Studie:

Europas Banken verbessern erneut ihre Kosteneffizienz und Eigenkapitalrentabilität – jedoch nicht so stark wie im Vorjahr

Trotz der unsicheren Marktsituation nach dem Beginn des Ukrainekriegs und deren Folgen haben die europäischen Banken 2022 ihre Kosteneffizienz gesteigert. Sie profitierten vor allem von der schnellen und starken Zinswende der EZB, die für höhere Margen im Zinsgeschäft sorgte. Insgesamt konnten die Banken beim Zinsertrag deutlich zulegen. Dies ist auch der wesentliche Treiber, welcher es den Banken ermöglichte, ihre Kosteneffizienz im Vergleich zum Vorjahr zu steigern. So verbesserte sich die durchschnittliche Cost-Income-Ratio (CIR) der europäischen Banken auf 58,7 Prozent. In 2021 lag sie noch knapp 3 Prozentpunkte höher. In 2022 gelang es den europäischen Banken den Return on Equity (RoE) gegenüber 2021 noch einmal um 0,2 Prozentpunkte auf 8,6 Prozent zu erhöhen. Bei einem Vergleich der Regionen zeigen sich hier jedoch teils deutliche Unterschiede.

Vorsteuergewinne der Banken steigen erneut – allerdings deutlich geringer als im Vorjahr

Die Steigerung der Rentabilität zeigt sich auch beim Blick auf den Vorsteuergewinn (EBT). Hier setzt sich der positive Trend des Vorjahres fort. Im Jahr 2022 konnten die europäischen Banken ihr EBT um 5,4 Prozent steigern. Auch hier sind regionale Unterschiede zu sehen, konnten noch 2021 alle Regionen von der wirtschaftlichen Verbesserung und besonders der Auflösung von Risikovorsorge als Ertragstreiber profitieren, so gelang es 2022 nicht überall, am veränderten Zinsumfeld zu partizipieren.

Zinswende der EZB treibt die Zinsmargen

Die Zinswende im Frühjahr 2022 markierte einen Wendepunkt bei der seit Jahren rückläufigen Zinsmarge. Im Jahr 2022 verzeichneten die Banken in Europa nach dem Zinsentscheid der EZB ein sprunghaftes Margenwachstum von 15,8 Prozent gegenüber 2021. Für die Ertragslage wurde die Zinsmarge zum bestimmenden Faktor. Die Zinseinnahmen der europäischen Banken stiegen im vergangenen Jahr um 36, 9 Prozent.

Notwendige Erhöhung der Risikovorsorge sowie steigende IT- und Verwaltungskosten schmälern Erträge der Banken

Zwar konnten die europäischen Banken 2022 ihre Erträge dank deutlich höherer Zinsmargen verbessern, zugleich nahm aber auch der Kostendruck zu. Vor allem der Ukrainekrieg und die wachsende Gefahr von Kreditausfällen sorgten für Unsicherheit. Deshalb wuchs der Aufwand für die Risikovorsorge. Zudem gingen auch die Kosten für IT und Verwaltung in die Höhe. Die erneute Anspannung der wirtschaftlichen Lage im vergangenen Jahr erforderte jedoch eine erneute Ausweitung der Risikovorsorge. Diese verdoppelte sich mit einem Anstieg von 87,4 Prozent nahezu: Energiekrise, Lieferkettenstörungen sowie hohe Inflationsraten, Zinsanstieg und Rezessionsbefürchtungen schlugen sich besonders nieder. Betrachtet man den Aufbau der Risikovorsorge über Ländergrenzen hinweg, so ergibt sich ein grösstenteils einheitliches Bild.

Geringes Bilanzwachstum – EZB-Langzeitkredite zeigen beträchtliche Effekte

Auf das starke Wachstum der Bilanzsummen während der Coronakrise folgte im vergangenen Jahr ein Dämpfer. Der Anstieg von gerade einmal 1,1 Prozent im Jahr 2022 ist auf die hohen Wertberichtigungen zurückzuführen, welche den steigenden Kreditvolumina entgegenwirkten. Während der Corona-Pandemie gab es in den Jahren 2020 und 2021 dagegen noch ein durchschnittliches Wachstum von je 7,1 Prozent und in den beiden Vor-Corona-Jahren 2018 und 2019 von je 2,5 Prozent. Regionale Unterschiede mit Blick auf Bilanzen und Kreditvolumina hingen besonders davon ab, inwieweit die Banken die EZB-Langfristkredite TLTRO II und III ausnutzten und ob sie diese vorzeitig oder zu den Fälligkeiten zurückzahlten.

Harte Kernkapitalquote erstmals rückläufig

Bei der RWA-Quote, dem Anteil der Risikoaktiva an der Bilanzsumme, zeigten sich die Banken in Europa konstant. Die harte Kernkapitalquote (CET1-Ratio) der europäischen Banken verschlechterte sich 2022 erstmalig seit Beginn der Datenerhebung 2013. Gegenüber 2021 fiel sie von 15,9 auf 15,4 Prozent. Da auch die RWA-Portfolios in fast allen Regionen gestiegen sind, halten die Banken also insgesamt weniger Eigenkapital vor - aber auch hier mit regionalen Unterschieden.

Stetiger Abwärtstrend der Zinsmarge seit Mitte der 1990er Jahre

2021 lag die Zinsmarge im Vergleich zu 1994 nur noch etwa auf dem halben Niveau. Dieser Verfall ist mehreren Faktoren geschuldet: Die Liberalisierungserfolge des Welthandels führten zu einem verschärften Wettbewerb bei Finanzdienstleistungen und damit auch bei Krediten – besonders europäische Banken konkurrierten um den aufstrebenden asiatischen Markt. Gleichzeitig senkte die deutsche Bundesbank den Leitzins deutlich und das Internet erhöhte die Transparenz des Kreditangebots für Unternehmen und Konsumenten. In den vergangenen fünf Jahren beschleunigte auch das Inkrafttreten der Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 den Verfall der Zinsmarge in Deutschland – so senkte das Open Banking die Informationsasymmetrie bei den Kunden und erhöhte zudem den Wettbewerb durch Fintechs.

Wie ein steigender Leitzins kurzfristig auch die Zinsmarge hebt

Die Entscheidung der EZB von einer expansiven hin zu einer restriktiven Geldpolitik im Jahr 2022, die mit der Einstellung der Anleihenkäufe und der Erhöhung des Leitzinses einherging, brachte die Trendwende. Kurzfristig stieg die Zinsmarge deutscher Banken signifikant an. Dies war primär bedingt durch die unterschiedliche Höhe von Aktiv- und Passivzins und die zeitliche Diskrepanz des jeweiligen Anstiegs.

Langfristig drückt BIP-Wachstum die Zinsmarge

Zwar gibt es keine Evidenz für einen strukturellen Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Leitzinses der EZB und der Zinsmarge von Banken. Ein Blick auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dagegen liefert Erkenntnisse. Dessen Entwicklung erlaubt statistisch signifikante Aussagen über die Zinsmargen. Demnach ist mit einem BIP-Wachstum ein Absinken der Zinsmargen zu erwarten. Die negative Korrelation von BIP und Zinsmarge lässt sich empirisch durch ein von BearingPoint entwickeltes Regressionsmodell belegen.

Ausgleich fallender Zinsmargen fordert die Banken heraus

Angesichts langfristig abnehmender Margen im Zinsgeschäft ergibt sich die Frage, wie die deutschen Banken dennoch ihre Zinsüberschüsse zukünftig sichern können. Könnte dies beispielsweise durch ein steigendes Kreditvolumen gelingen? Ein umfassenderes Bild des Kreditgeschäfts ermöglicht die Betrachtung des Indikators Ausfallrisiko.

Nachhaltiges, effizientes und wachstumsorientiertes Banking ist der Schlüssel zu anhaltender Profitabilität - Unsere Handlungsempfehlungen für Banken:

Mit NEW Banking – Nachhaltigkeit, Effizienz, Wachstum – liefert BearingPoint auch für das veränderte Marktumfeld Lösungen, die die Transformation der Banken vorantreiben und zukünftige Profitabilität sichern. 

Nachhaltig handeln - Um neuen regulatorischen Anforderungen gewachsen zu sein, ist die Integration der ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance) in die Steuerungs- und Reportingprozesse zwingend nötig. Zudem müssen die Banken ESG-spezifische Datenprozesse aufbauen, ein Kraftakt unter Beachtung der Vielfalt und Komplexität der Daten.

Effizienz steigern - Kostenreduzierung und Effizienzsteigerung gewinnen im krisengeprägten wirtschaftlichen Umfeld am stärksten an Bedeutung und verlangen Investitionen in eine ganzheitliche Transformation. Die Digitalisierung von Angeboten sowie die Verschlankung und Modernisierung von Prozessen und Systemen sparen Kapital und Ressourcen.

Wachstum schaffen - Das stark veränderte Zinsumfeld eröffnet Banken – zumindest temporär – höhere Ertragsmöglichkeiten. Trotzdem sollten sie den Fokus auf das Provisions-, Beratungs- und Verwaltungsgeschäft bewahren, waren dies doch die Ertragstreiber der vergangenen Jahre. Mit einem weiteren Ausbau des Angebots im Bereich Digital Banking in Verbindung mit neuen Produkten können die Banken zum einen Neukunden gewinnen und zugleich dem Wunsch einer ganzheitlichen Betreuung der Bestandskunden nachkommen. Besonders das steigende Interesse an nachhaltigen Investments bietet Ertragspotenzial. Mit einer umfassenden und frühzeitigen Ausrichtung auf diese Bereiche können Banken ihre Marktposition stärken.

 

Über die Studie: Die Studie basiert auf der Analyse der Jahresabschlüsse von 116 europäischen Banken für den Zeitraum der Jahre 2017 bis 2022. Alle Institute stehen unter Aufsicht der EZB oder der nationalen Aufsichtsbehörden. Zusammengenommen machten die Bilanzsummen der betrachteten Banken im Jahr 2022 rund 75 Prozent der aggregierten Bilanzsumme aller monetären Finanzinstitute in der Europäischen Union aus. 

Weiterführende Hintergrundinformationen zu unserer Analyse finden Sie im Studiendokument, welches Ihnen zum Download zur Verfügung steht. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und stehen Ihnen sehr gern für einen Austausch zur Verfügung!

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