September 2024
Für den europäischen Bankenmarkt stand das Jahr 2023 im Zeichen einer „Zeitenwende“. Die Ertrags- und Finanzlage der europäischen Banken hat sich stark verbessert. Jedoch profitieren nicht alle Finanzinstitute von der geänderten Zinspolitik und mit zunehmender Dauer treten deren Schattenseiten mehr und mehr zu Tage. Auch stehen die Banken vor zukunftsweisenden Hürden und Entscheidungen und das Jahr 2025 bringt neue regulatorische Herausforderungen mit sich, die sich bereits heute abzeichnen und welche die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Banken beeinflussen.
Um die Inflation zu bekämpfen, haben die Zentralbanken Europas seit 2022 die Einlagen- und Refinanzierungszinssätze rasant erhöht und damit die Ära der Nullzinspolitik beendet. Diese Zinswende führte im Jahr 2023 zu einem Anstieg der Zinserträge um 82 Prozent und einer Verbesserung der Zinsmarge um 0,15 Prozentpunkte für die Banken. Ebenso konnten sie ihre Kosteneffizienz weiter steigern. So erreichte die Cost-Income Ratio (CIR) mit 55,1 Prozent den niedrigsten Wert seit Erhebung der Datengrundlage im Jahr 2013. Die Effizienzsteigerung ist hierbei in weiten Teilen des Kontinents zu verzeichnen: Insbesondere die nordischen Länder sowie Spanien und Portugal behaupten ihre führenden Positionen mit CIR-Werten von 39,9 Prozent bzw. 42,5 Prozent.
Doch höhere Refinanzierungskosten und erhöhte Bonitätsrisiken, insbesondere bei Immobilienfinanzierungen, belasten die Finanzinstitute zunehmend. Zudem ist durch das Inkrafttreten der CRR III-Verordnung 2025 und der damit verbunden Beschränkung interner Risikomodelle ein signifikanter Anstieg der risikogewichteten Aktiva (RWA) bei großen Banken zu erwarten. Parallel dazu bereiten sich die Banken auf die Umsetzungsfrist des Digital Operational Resilience Act (DORA) vor, was umfangreiche IT-Anpassungen erfordert. Ebenso wirft die Vorbereitung zur Einführung des „Digitialen Euros“ seine Schatten voraus. In einem sich schnell wandelnden Umfeld müssen Banken somit ihre Finance- und Risk-Funktionen optimieren, um die Herausforderungen der modernen Finanzwelt zu meistern.
Im Jahr 2023 investierten Banken signifikant mehr in IT, mit einem Anstieg der IT-Kosten um 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diese Investitionen verdeutlichen den anhaltenden Digitalisierungstrend im europäischen Bankensektor.
Um im Wettbewerbsumfeld der europäischen Banken mit sinkender CIR wettbewerbsfähig zu bleiben, ist eine präzise Überwachung der Ertrags- und Kostensituation unerlässlich. Ein datenbasiertes, kundenorientiertes Performance Management wird zum Schlüssel für erfolgreiche Gesamtbanksteuerung. Dies erfordert Transparenz über Kosten- und Werttreiber auf Einzelgeschäftsebene und die Integration dieser Erkenntnisse in ein mehrstufiges Performance Management. Ein umfassendes Kennzahlensystem unterstützt dabei, Effizienzpotenziale zu erkennen und zu nutzen, was zu Kosteneinsparungen und einer verbesserten Kostenkultur führt.
Banken nutzen zunehmend KI für innovative Lösungen wie Kreditwürdigkeitsprüfungen, personalisierte Finanzberatung durch Chatbots und automatisierte Handelssysteme. Besonders in der Kreditprüfung verkürzt KI die Prozesszeiten und verbessert die Entscheidungsqualität. Hyperautomation, kombiniert mit Generativer KI (GenAI), steigert die Effizienz weiter, indem sie komplexe Datenanalysen und automatisierte Entscheidungen ermöglicht. Trotz des Potenzials stehen Banken vor Herausforderungen wie Datenschutz und ethischen Fragen. Der EU AI Act stellt einen umfassenden rechtlichen Rahmen bereit, um vertrauenswürdige und sichere KI-Innovationen zu fördern, insbesondere bei hochriskanten Finanzanwendungen.
Neo-Banken drängen zunehmend in den Finanzdienstleistungsmarkt und haben sich neben traditionellen Banken etabliert und setzen zunehmend auf Künstliche Intelligenz, um ihre digitalen Bankdienstleistungen effizienter zu gestalten. Parallel dazu wächst der Trend der Decentralised Finance (DeFi), der Finanzdienstleistungen über Blockchain-Technologie ohne traditionelle Intermediäre ermöglicht. Trotz des Potenzials von DeFi stehen Sicherheits- und regulatorische Herausforderungen im Vordergrund, die von Regulierungsbehörden, unterstützt durch den Digital Operational Resilience Act (DORA), überwacht werden.
Die BaFin und die EZB konzentrieren sich 2024 verstärkt auf Cyber-Risiken, was durch die zunehmende Zahl von Cyber-Angriffen und die neue europäische Regelung, den Digital Operational Resilience Act (DORA), unterstrichen wird. Ab dem 17. Januar 2025 können Aufsichtsbehörden die Umsetzung von DORA prüfen, das neben Banken auch Versicherungen, Asset Manager und IKT-Drittdienstleister betrifft. Die Herausforderungen bei der Umsetzung von DORA umfassen das Schließen der Lücke zwischen Dokumentation und Praxis sowie die Koordination über verschiedene Funktionen hinweg.
Europäische Banken haben Fortschritte bei der Integration von ESG-Kriterien gemacht, stehen aber vor Herausforderungen wie unklaren Regulierungen, unterschiedlichen Standards und der Notwendigkeit, zuverlässige ESG-Daten zu bewerten. Die Balance zwischen kurzfristigen finanziellen Zielen und langfristigen ESG-Zielen ist schwierig, insbesondere in Bezug auf Greenwashing-Risiken und hohe Anfangskosten nachhaltiger Investitionen. Zudem erfordert die Integration von ESG-Kriterien Investitionen in neue Technologien und Systeme.
Seit November 2023 befindet sich die Europäische Zentralbank (EZB) in der „Preparation Phase“ für den Digitalen Euro, nachdem die zweijährige „Initiation Phase“ erfolgreich abgeschlossen wurde. Eine Umfrage von BearingPoint im Juni 2024 unter Experten von 25 Banken und Zahlungsdienstleistern zeigt, dass die Mehrheit die Einführung des Digitalen Euros für wahrscheinlich hält und Veränderungen im Wettbewerb der bestehenden Zahlungsmethoden erwartet. Einige Institute sehen den Digitalen Euro als Ergänzung, nicht als Bedrohung. Die EZB veröffentlicht regelmäßig „Progress Reports“ und betont die Wichtigkeit von Datenschutz und Betrugsschutz.
Verschärfte regulatorische Anforderungen wie DORA, BCBS 239 und BIRD sowie technische Innovationen wie KI und DeFi erhöhen den Wettbewerb und stellen neue Herausforderungen an Europäische Banken. NEW Banking – Nachhaltigkeit, Effizienz, Wachstum – von BearingPoint unterstützt Banken dabei, insbesondere in den CFO- und CRO-Funktionen, die richtigen Maßnahmen zu treffen und den Wettbewerb langfristig mitzugestalten.
N – Nachhaltig
Nachhaltigkeit wird branchenübergreifend wichtig. Banken müssen glaubwürdige ESG-Strategien entwickeln und integrieren, um Effizienzpotenziale zu erkennen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
E – Effizienz
Leistungsfähiges Performance Management und neue digitale Werkzeuge sind zentral für eine effektive Banksteuerung. Exzellentes Datenmanagement ist dabei entscheidend und unterstützt die Erfüllung regulatorischer Anforderungen wie BCBS 239 und DORA.
W – Wachstum
Die Zukunft setzt auf digitale Tools und Künstliche Intelligenz zur Verbesserung der Entscheidungsfindung, Effizienz und Kundenerfahrung. Menschliche Urteile und ethische Überlegungen bleiben dabei unerlässlich.
Die Studie 2024 basiert auf der Analyse der Jahresabschlüsse von 118 europäischen Banken der letzten fünf Jahre (Zeitraum 2019 bis 2023). Die Studie umfasst dabei monetäre Finanzinstitute in der Eurozone, in weiteren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Dänemark, Schweden) sowie in den Nicht-EU-Mitgliedsländern (Großbritannien, Schweiz und Norwegen). Alle betrachteten Institute stehen unter Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) oder einer nationalen Aufsichtsbehörde. Die Gesamtbilanzsumme der analysierten Banken belief sich im Jahr 2023 auf etwa 39,6 Billionen Euro.