Der Artikel ist am 15. Juli 2022 in der Zeitung L'Agefi erschienen (auf Französisch).

Der Rückstand der Schweizer Banken

Die Mehrheit der digitalen Investitionen der Bankindustrie konzentrierten sich auf die Digitalisierung und anschliessende „Selfcareisierung“ der Kundenprozesse über das eBanking und die mobile App (Abfrage des Kontostandes, letzte Transaktionen, Scannen von ESRs, etc.). Diese Digitalisierung wurde in erster Linie eingeleitet, um eine wettbewerbsfähige operative Margenquote zu erreichen und die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Während die Schweizer Retailbanken auf dem zweiten Platz der weltweit digitalsten Banken lagen, gingen 2021 zwanzig Plätze verloren1. Die Pandemie zwang die Banken, ihre Investitionen in digitale Plattformen zu verschieben oder sogar zu streichen. Heute geht es bei der Digitalisierung nicht mehr nur darum, neue Funktionen anzubieten, sondern auch darum, das Kundenerlebnis zu verbessern und den Bedarf an Multikanalität und Operabilität der Kontaktpunkte der Bank mit ihren Kunden zu decken.

Ein Dienstleistungsmodell im Bereich des mobile Bankings

Der Markteintritt von Neobanken, die den Markt mit einem 100%igen Mobile-Banking-Angebot disruptieren, zwingt die traditionellen Banken dazu, ihr Modell zu überdenken. Zur Erinnerung: Traditionelle Retailbanken positionieren den Bankberater in der Filiale als Dreh- und Angelpunkt der Kundenbeziehung und als Hauptakteur ihres Kundenversprechens. Einige traditionelle Akteure unterschätzten nach wie vor die Gefahr, dass sie ihrer hauptsächlichen "mass market" Kundschaft, die bisher als Sicherheitspolster in ihrem Geschäftsportfolio galt, beraubt werden. Da das Geschäftsmodell der Neobanken derzeit nicht profitabel ist und ihre Kundenbasis nicht die der Kernkunden ist, besteht die Gefahr, dass sie ihre Marktanteile vergrössern und zu einer Zweitbank werden.

Mit einem personalisierteren Kundenversprechen

Die Erwartungen der Nutzer sind klar: Verfügbarkeit, Unmittelbarkeit und Einfachheit machen eine gute Kundenerfahrung aus. Eine Bank in der Tasche zu haben, die einfache Transaktionen kostenlos anbietet und komplexere Funktionen, werden zunehmend zu einem Kriterium bei der Wahl der Hausbank (z.B. Verwaltung der Limits der Debitkarte). Neobanken setzen auf Diversifizierung und bieten neue, innovativere Dienstleistungen an: Handel mit Kryptowährungen, Reisebuchungen, Cashback oder Reiseversicherungen. Banking-Apps tendieren dazu, zu Service-Hubs zu werden, um ihre Nutzer zu binden und einen breiteren und hochwertigeren Kundenkreis zu gewinnen. Die Personalisierung des Kundenerlebnisses wird angesichts der Neo-Banken, die einen eher standardisierten Ansatz verfolgen, zu einem Schlüsselelement.

Digitale Plattformen im Dienste des Kundenerlebnisses

Die Digitalisierung der Kundenbeziehungen ist also eine neue grosse Herausforderung, und Banken, die in diesem Bereich hinterherhinken, laufen Gefahr, mittelfristig Marktanteile zu verlieren. Im Jahr 2022 werden 77% der Kunden über einen eBanking-Zugang verfügen und 97% der Millennials werden sich zuerst über ihre mobile App mit ihrer Bank verbinden. Diese Plattform ist ein wichtiger Wachstumshebel, um die Kundenbasis zu erneuern, die trotz ihrer mobilen Nutzung immer noch an ihre historische Bank gebunden sind. Auf dem Schweizer Markt zeichnen sich bereits verschiedene Anpassungsstrategien ab: Credit Suisse entschied sich für die Gründung einer eigenen Neo-Bank „CSX“, die Post Bank entschied sich dafür, sich mit Swissquote mit „Yuh“ zusammenzuschliessen, und UBS zog es vor, ihre mobile Bank intern zu gründen. Die Anpassung an das Kundenversprechen der Neobanken ist also bei den wichtigsten Schweizer Bankakteuren in vollem Gange. Mit "Alpian" (REYL Groupe), einer 100% digitalen Privatbank, und "FaeMoney", das sich ausschliesslich an Frauen richtet, werden immer mehr mobile Banking-Angebote eingeführt.

Traditionelle Banken müssen auf den Zug der Digitalisierung aufspringen

Um diesen neuen Herausforderungen zu begegnen, führen traditionelle Banken „Plateformationsstrategien“, um die Einführung komplexer Kundenprozesse zu beschleunigen. Die Geschwindigkeit der Ausführung, die Qualität der Navigation und der Go-to-Market werden in den nächsten zwei Jahren für die Nutzer sichtbare Unterscheidungsmerkmale darstellen, die sich zweifellos auf die Qualität der Dienstleistungen und des digitalen Kundenerlebnisses auswirken. Lösungen zur Standardisierung der digitalen Onboarding-Prozesse und des Kundenbeziehungs-Lebenszyklusmanagements, insbesondere für das Wealth-Management-Segment, sind ein Segen für spezialisierte Bankakteure. Da diese bei ihrer digitalen Transformation oftmals im Rückstand sind, können sie ihre Investitionen auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und gleichzeitig ihren Kunden ein modernes Erlebnis bieten. Es sei daran erinnert, dass immer noch 30 % der Schweizer Privatbanken ihren Kunden keine mobile App anbieten.

Die digitalen Champions scheinen dies bereits verstanden zu haben, denn ihre Profitabilität wird um 4 Prozentpunkte höher eingeschätzt als die ihrer Konkurrenten.

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  • Stephane  Bellac
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