Februar 2022
Der Bankensektor hat in jedem Land eine sehr exponierte Stellung. Auch wenn er einerseits eine Branche unter vielen ist, bildet er andererseits die wesentliche Basis für das Funktionieren von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Damit rücken oftmals die Performance und Stärke dieses Sektors in den Fokus der Öffentlichkeit.
Performance und Stärke können dabei von unterschiedlichen Aspekten herrühren. Eine große Rolle kann dabei die Digitalisierung spielen – der Megatrend, der Wirtschaft und Gesellschaft in zahlreichen Ländern bereits seit einigen Jahren transformiert.
Die Fortschritte bei der digitalen Transformation sind dabei in den drei Märkten Asien, Europa und den USA durchaus unterschiedlich. So haben die USA und insbesondere die asiatischen Länder China und Japan einen Vorsprung, was die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft betrifft. Mehr als die Hälfte als Internetnutzer befinden sich in Asien, China weist den größten Online-Marktplatz auf. Darüber hinaus sind es vielfach chinesische Unternehmen, die bei digitalen Geschäftsmodellen im B2B-Bereich führend sind. Auch in den USA finden sich führende Anbieter von digitalen Plattformen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Digitalisierung in den USA und in Asien auch im Bereich der Banken bereits weiter vorangeschritten ist als in Europa. Allerdings ist die Digitalisierung im Sinne eines Technologieeinsatzes das eine. Gleichzeitig ist mit der Digitalisierung aber auch das Ziel verbunden, die Rentabilität und Effizienz zu steigern – unter anderem durch die Transformation der Prozesse und Geschäftsmodelle.
Insofern stellt sich ebenfalls die Frage, ob europäische Banken einen Digitalisierungsrückstand in der Form haben, dass sie im Vergleich zu den asiatischen oder US-amerikanischen Instituten eine geringere Rentabilität und Effizienz aufweisen, die von einem niedrigeren Digitalisierungsgrad herrühren.
Für unsere Studie haben wir die Kennzahlen der 25 größten Banken in Europa, USA und Asien miteinander verglichen und eine Modellierung durchgeführt, die diese in Relation setzt. Unsere Analyse zeigt, welche Faktoren zu Unterschieden bei Rentabilität und Effizienz führen und was das für europäische Banken im Wettbewerb bedeutet.
Die größten Banken in Europa weisen eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite (Return on Equity, ROE) von 4,6 Prozent auf. Bei Banken in Asien und den USA liegt sie mit jeweils 9,8 Prozent fast doppelt so hoch. Sie verdienen auch im Zinsgeschäft deutlich mehr als ihre europäischen Pendants. Mit einer Cost-Income-Ratio (CIR) von 53 Prozent sind die asiatischen Banken im Vergleich besonders effizient. Während sie gerade mal etwas mehr als 50 Cent an Kosten haben, um einen Euro zu verdienen, sind es in Europa und USA mehr als 65 Cent.
Das Delta in der Profitabilität findet seinen Ursprung in hauptsächlich drei Faktoren – Personalkosten, Regulierung und Geschäftsmodell. Wenn die europäischen Banken nicht handeln, werden sie immer weiter von ihren asiatischen und amerikanischen Pendants abgehängt werden. Dabei gibt es genug Potenzial für die europäischen Banken, ihre Rentabilität und Effizienz zu steigern. Zum Beispiel durch zielgerichtete Investitionen in moderne IT-Architekturen, Komplexitätssreduktionen im Geschäftsmodell oder auch durch Fusionen und Übernahmen.
Eine Konsolidierung im europäischen Bankenmarkt ist eine weitere Möglichkeit, Rentabilität und Effizienz zu steigern. Dafür gibt es auch viel Potenzial, da er im Vergleich zu Asien hinsichtlich Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl ‚overbanked‘ ist. Schaut man in die USA ist der Bankenmarkt sogar noch mehr ‚overbanked‘ als der europäische. Insofern weisen die US-amerikanischen Banken ebenfalls ein hohes Konsolidierungspotenzial auf. Falls sie schneller oder umfangreicher reagieren, können die europäischen Banken bei Rentabilität und Effizienz noch weiter abhängt werden.
Europäische Banken wenden im Durchschnitt 55 Prozent und US-amerikanische Banken 50 Prozent ihrer Kosten für Personal auf - Asiens Banken mit nur 36 Prozent deutlich weniger. Würden in Asien dagegen gleichhohe Personalkosten wie in Europa anfallen, wäre die durchschnittliche CIR dort um rund 17 Prozentpunkte höher und der ROE um etwa fünf Prozentpunkte niedriger.
Banken in Europa müssen im Vergleich zu USA und Asien mehr Eigenkapital vorhalten, um unerwartete Verluste zu decken. Müssten Banken in Europa ähnlich wenig Eigenkapital vorhalten wie die asiatischen Institute, wäre ihre durchschnittliche CIR um rund sechs Prozentpunkte geringer und der ROE um etwa drei Prozentpunkte größer. Dafür tragen die Märkte in den USA und Asien ein deutlich höheres Risiko als in Europa.
In den USA spielt das Provisionsgeschäft eine wesentlich größere Rolle als in Europa und in Asien. Dadurch kommen sie im Vergleich zu ihren europäischen und asiatischen Pendants zu einer durchschnittlich etwa sieben Prozentpunkte niedrigeren CIR und einem rund drei Prozentpunkte höheren ROE.
Jedoch können die Personalkosten, Regulierung und Geschäftsmodell die Unterschiede bei Cost-Income-Ratio und Return on Equity nicht vollständig erklären. Ein weiterer Grund ist eine stärkere Digitalisierung der Banken in den USA und Asien. Die Transformation ist dort bereits weiter vorangeschritten als in Europa und infolgedessen sind die Banken effizienter und können mit neuen digitalen Produkten und Geschäftsmodellen einen höheren Return on Equity erzielen.
Hinsichtlich Digitalisierung haben die europäischen Banken immer noch ein riesiges Aufholpotenzial. Viele IT-Infrastrukturen sind veraltet und durch die vermehrte Nutzung neuer Technologien können interne Prozesse optimiert und die Kundeninteraktion deutlich verbessert werden. Zudem eröffnen sich damit Möglichkeiten für neue Services und Geschäftsmodelle, wie Fintechs anschaulich zeigen. Zukünftig wird sich zudem das Thema Nachhaltigkeit zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor entwickeln. Die Berücksichtigung von ESG-Faktoren gewinnt bei Investoren immer mehr an Bedeutung. Eine stärkere Ausrichtung auf Nachhaltigkeit kann für die europäischen Banken zum Wettbewerbsvorteil werden. Nicht zuletzt auch als Partner für die Europäische Kommission, die im Rahmen des Green Deals Milliarden in Klimaschutz und Nachhaltigkeit investieren möchte.
Das komplette Paper von Handelsblatt Research Institut (HRI) und BearingPoint steht Ihnen im Downloadbereich zur Verfügung. Viel Freude bei der Lektüre!