Es ist noch gar nicht lange her, da schien der Markt für Elektrofahrzeuge unaufhaltsam zu wachsen. Regierungen, Hersteller und Verbraucher:innen – beim Rennen in Richtung nachhaltige Mobilität waren alle an Bord. Nun aber stottert der Entwicklungsmotor. Wir beleuchten, was notwendig ist, damit der Wandel wieder Fahrt aufnehmen kann.
Vor einigen Jahren wurden große Mengen an elektrischen Fahrzeugen produziert, und das Ende des Verbrennungsmotors schien in greifbare Nähe zu rücken. Schließlich jedoch verlief der Wandel langsamer als erwartet.
Gerade mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit in der Automobilbranche hängt viel von der Elektrifizierung ab. Einige Kreise stellen aber die Realisierbarkeit des Wandels zur E-Mobilität infrage – sie führen wachsende Bedenken hinsichtlich Rohstoffversorgung und Nachhaltigkeit sowie Auswirkungen auf die überlasteten nationalen Netze ins Feld. Solche und andere Unsicherheiten schwächen das Vertrauen und das Engagement auf dem gesamten Markt.
Wie lässt sich die Zögerlichkeit, die sich sowohl bei Verbraucher:innen als auch bei der Industrie zeigt, überwinden?
Hersteller sind nicht überzeugt, dass alle Stakeholder die Unterstützung leisten, die erforderlich ist, um die elektrische Revolution voranzutreiben: Aus ihrer Sicht müssen Regierungen, Regulierungsbehörden, Energieversorger und andere relevante Stellen aktiver werden. Die OEMs selbst sehen, wo die Probleme liegen – so nehmen etwa potenzielle Käufer:innen von Elektrofahrzeugen wahr, dass es flächendeckend zu wenige Ladestationen gibt. Im Juli 2023 kamen in Deutschland laut VDA 21 E-Fahrzeuge auf jeden Ladepunkt, während die EU-Kommission ein Verhältnis von 10:1 empfiehlt.
Als Reaktion auf die schleppende Unterstützung der Regierung bauen manche Hersteller wie Tesla sogar eine eigene Infrastruktur auf; das ist allerdings eher die Ausnahme als die Regel. Die zuletzt beschlossenen Subventionskürzungen lassen Fahrzeughersteller annehmen, dass der Wandel zu E-Mobilität für die Regierungen keine Priorität mehr hat. Am Beispiel Mercedes lässt sich der Vertrauensverlust eindrucksvoll ablesen: Dort begann man mit der Aussage, die eigenen Zukunftspläne seien „ausschließlich elektrisch“, gefolgt von der Einschränkung „wenn die Marktbedingungen es erlauben“. Wenig später wurde aus „electric only“ ganz subtil „electric first“: Inzwischen verlängert Mercedes seine Produktionszyklen für Verbrennungsmotoren, während der Markt für E-Autos stockt.
Der Wandel zur Elektromobilität kann nur gelingen, wenn die Regierungen die Führung übernehmen – innerhalb der Märkte, aber auch als einheitliche Kraft über nationale Grenzen hinweg. Nur so entsteht ein weit verbreitetes, dauerhaftes Vertrauen in die Ernsthaftigkeit des Vorhabens, den Mobilitätswandel voranzutreiben. Diese Orientierung erwarten Verbraucher:innen ebenso wie OEMs.
Giga-Fabriken und umfassende Batterietechnologieforschung in China geben die Richtung vor: Wenn Europa hier weiterhin eine Rolle spielen will, sind wesentlich größere Investitionen erforderlich. Die Entscheidung der EU, die Zölle auf chinesische E-Fahrzeuge zu erhöhen, könnte weitreichende Folgen haben – effektiver wäre es womöglich, den Markt durch einen kooperativeren, branchenübergreifenden und investitionsgestützten Ansatz zu beleben.
Strategien und Investitionen müssen langfristig und konsequent sein. Führungswechsel zwischen Parteien, die unterschiedliche Meinungen über den weiteren Weg haben, sind kontraproduktiv. Deshalb sind politische Einigkeit und Kontinuität von entscheidender Bedeutung: Die Verbraucher:innen müssen sich darauf verlassen können, dass der Wandel zur E-Mobilität nicht davon abhängt, dass eine Partei an der Macht bleibt.
Ungeklärt ist auch die Frage nach der erneuerbaren Energie, die gebraucht wird, um künftig die vielen E-Fahrzeuge auf der ganzen Welt zu betreiben. Kritiker:innen geben zu bedenken, dass viele nationale Stromnetze womöglich nicht in der Lage sind, den Bedarf zu decken.
Dass E-Fahrzeuge im Zusammenhang mit umfassenderen, nachhaltigeren Energiestrategien betrachtet werden müssen, liegt auf der Hand. Regierungen könnten die wachsende Elektromobilität zum Anlass nehmen, verstärkt erneuerbare Energien bereitzustellen und die Netze entsprechend auszubauen. Es gibt sogar Vorschläge, E-Fahrzeuge als Batteriespeicher zu nutzen, um in Schwachlastzeiten nachhaltige Energie zu erzeugen und durch bidirektionales Laden das Netz zu stabilisieren bzw. auszugleichen.
Wie auch immer dieses Problem gelöst wird: Regierungen müssen mehr in Forschung und Planung investieren, um der langfristigen Energiestrategie mehr Sicherheit zu verleihen. Hierbei gilt es wiederum die Energieversorger einzubinden, auf die es entscheidend ankommt, damit der Wandel gelingt.
Ein erfolgreicher Übergang zur Elektrifizierung hängt wesentlich von der passenden Infrastruktur ab. Derzeit liegen die erforderlichen Veränderungen in den Händen der einzelnen Regierungen und Behörden und auf europäischer Ebene bei der EU.
Manche Nationen haben schon jetzt stark investiert, um Elektromobilität attraktiver zu machen. So gab es im Jahr 2024 in den Niederlanden 7,92 Ladepunkte pro 1.000 Einwohner, während Spanien auf gerade einmal 0,63 kam. Dies zeigt die großen Unterschiede bei der Bereitstellung der Infrastruktur in Europa – Unterschiede, die sich auf fehlende Ressourcen ebenso zurückführen lassen wie auf den unterschiedlichen Grad des Vertrauens in den Übergang zur E-Mobilität.
Sources: EAFO, worldometer.com
Die Niederlande zeigen, wie es geht – diesem Beispiel sollten andere Länder folgen. Ebenso zwingend ist es, die Infrastruktur für Elektro-Lkw und -Kleintransporter zu planen: Sie brauchen Hochgeschwindigkeits-Ladestationen, damit sie die in der Logistik heute geforderten kurzen Umschlagzeiten einhalten können. Hierbei sei jedoch erwähnt, dass für die kommerzielle Nutzung bereits Wasserstoff und andere alternative Kraftstoffe erprobt werden, die sich möglicherweise als praktikabler herausstellen werden.
Um wachsender und prognostizierter Nachfrage gerecht zu werden, gilt es jetzt, eine neue Infrastruktur von Ladepunkten in ganz Europa und in anderen Märkten zu planen und umzusetzen. Ohne sie ist der Wandel zur E-Mobilität nicht möglich. Eine gemeinsame Orientierung sorgt dafür, dass alle in dieselbe Richtung gehen. Die Unternehmen benötigen diese Orientierung dringend: Derzeit erkennen sie keinen klaren Plan für die Elektroauto-Revolution und sehen sich mit der Aufgabe, die Zukunft vorherzusagen, allein gelassen.
Subventionen können einen Wandlungsprozess auslösen, aber nicht in Gang halten. Sie können dazu beitragen, dass genug E-Fahrzeuge verkauft werden, um den Wendepunkt zu erreichen, ab dem E-Fahrzeuge als Norm angesehen werden. Leider haben einige Länder die anfangs angebotenen Subventionen aber inzwischen bereits eingestellt – darunter auch Deutschland. Ein falsches Signal an die Verbraucher:innen: Die Verkaufszahlen brachen umgehend ein.
Andere Länder wie etwa Dänemark gingen die Situation geschickter an, indem sie deutlich darauf hinwiesen, dass ihre Subventionen nur für eine begrenzte Zeit zur Verfügung stehen. Sie reduzieren inzwischen die Zuschüsse oder setzen geplante Steuererhöhungen um. Solche erfolgreichen Beispiele müssen Schule machen: Regierungen sollten Anreizprogramme transparent planen, organisieren und konsequent umsetzen.
Wäre der Umsatzrückgang vorhersehbar gewesen? Zumindest ist offensichtlich, dass Subventionskürzungen und Steuererhöhungen insgesamt zu früh kamen. Nun stehen die europäischen Länder vor der schwierigen Entscheidung, was zu tun ist: die aktuellen Pläne weiterführen – oder die Kehrtwende einleiten und die Subventionen für eine längere Zeit beibehalten?
In eigenen Nachforschungen haben wir interessante Einblicke gewonnen, wie Verbraucher:innen auf das Thema E-Mobilität blicken. So machen sich Besitzer:innen von E-Fahrzeugen weit weniger Sorgen über die Reichweite und sogar den Aufwand für die Aufladung als diejenigen, die noch über einen Kauf nachdenken.
Das zeigt: Die Information, wie zufrieden Besitzer:innen tatsächlich sind, dringt bisher nicht durch. Die Autobranche könnte viel überzeugender mit den praktischen Vorteilen der Technologie argumentieren und gleichzeitig einige Mythen und negative PR im Zusammenhang mit E-Fahrzeugen entkräften – etwa die angeblich erhöhte Brandgefahr oder Falschinformationen bezüglich der Nachhaltigkeit über den gesamten Auto-Lebenszyklus.
Eine Kernfrage für OEMs lautet: Wie lassen sich mehr potenzielle Käufer:innen dazu bewegen, ein E-Fahrzeug überhaupt in Erwägung zu ziehen? Ein möglicher Ansatz wären Modelle, die eine Testphase vor der Kaufentscheidung anbieten.
Damit E-Fahrzeuge attraktiver werden, müssen Aspekte wie Batterieleistung und Reichweite sich natürlich laufend verbessern. Ein Problem liegt aber auch darin, dass der Kauf eines Elektrofahrzeugs eine große Investition ist – Verbraucher:innen fragen sich, ob ein heute gekauftes Fahrzeug nicht bereits veraltet ist, wenn sie es nach drei oder vier Jahren verkaufen wollen.
Dieses Problem, das man vom Handy-Markt bereits kennt und das viele Branchen betrifft, ist wahrscheinlich am schwierigsten zu lösen. Ein Teil der Antwort liegt darin, dass die OEMs weiterhin mit Nachdruck das Ziel verfolgen, die magische Reichweitengrenze von 500 Kilometern zu überschreiten: Ab dieser Leistung würden viele Verbraucher:innen ihre „Reichweitenangst“ ablegen und mehr Vertrauen in die Elektromobilität fassen. Obwohl inzwischen viele neuere E-Fahrzeuge diesen Schwellenwert laut Herstellerangaben erreichen, herrscht in der Öffentlichkeit noch immer die Annahme vor, dass die Leistung in der Praxis – vor allem über längere Zeit – deutlich niedriger liegt.
Die Hersteller könnten auch mehr Leasing- oder Abo-Modelle anbieten, die sich bisher vor allem bei jüngeren Fahrer:innen bewährt haben. Und die Lösung des Abschreibungsproblems könnte tatsächlich im Ersatzteilhandel liegen, der noch nicht ausgereift ist. Hier müssten die OEMs mehr unterstützen und investieren, damit gebrauchte E-Fahrzeuge einfacher – und kostengünstiger – gewartet werden können und somit länger ihren Wert behalten.
Der Hauptgrund dafür, dass der Markt für Elektrofahrzeuge insbesondere in Europa stockt, liegt in den kleinteiligen Entscheidungsprozessen. Was die Branche braucht, ist ein klares Zielbild – formuliert von effektiven, zentralisierten Organisationsgremien, die gemeinsame Konstruktionsstandards sicherstellen können.
Eine weitere Aufgabe besteht darin, den Markt für E-Fahrzeuge stärker auf die Bedürfnisse der Verbraucher:innen auszurichten. Die bloße Aussage, dass E-Fahrzeuge nachhaltiger sind als Verbrenner, reicht nicht aus. Die Wünsche, aber auch die Bedenken der potenziellen Käufer:innen zu verstehen, erfordert weitere Anstrengungen.
Damit das neue Mobilitätszeitalter anbrechen kann, sind jetzt die nationalen Regierungen und transnationale Organisationen wie die EU gefragt, eine stärkere Führung zu übernehmen.