September 2024
Glasfaser ist die Zukunft der Festnetz-Breitbandkommunikation. Sie bietet die höchsten Übertragungsgeschwindigkeiten, die geringste Anzahl an Störungsquellen und die größte Flexibilität für die zukünftigen Anforderungen der digitalen Gesellschaft. Die Verfügbarkeit von Glasfaser stellt daher aus Unternehmenssicht die Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands dar. Für Endkonsumentinnen und -konsumenten birgt sie das Potenzial, eine zukunftssichere Internetverbindung zu gewährleisten, die den steigenden digitalen Anforderungen gerecht wird.
Laut der aktuellen VATM-Marktstudie, die die Zahlen des ersten Halbjahres 2024 präsentiert, beträgt die Glasfaserpenetration in Deutschland etwa 10 Prozent bezogen auf Haushalte und kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) (siehe Infobox 1). Die Glasfaserversorgungsquote hingegen liegt bei ungefähr 41 Prozent (siehe Infobox 1).1 Zahlen des FTTH Council Europe aus dem Jahr 2023 verdeutlichen die verhältnismäßig schwache Position Deutschlands im europäischen Vergleich. Die durchschnittliche Glasfaserpenetration bezogen auf alle versorgbaren Haushalte in der EU lag bei 34,7 Prozent, während Länder wie Schweden, Litauen und Spanien eine Penetration von über 70 Prozent erreichten. Ähnliches gilt für die Glasfaserversorgungsquote, die im Jahr 2023 in der EU durchschnittlich bei etwa 69,9 Prozent lag.2 Nichtsdestotrotz ist die Gigabit-Versorgungsquote der deutschen Haushalte im europäischen Vergleich durchaus wettbewerbsfähig (siehe Infobox 2).
Wie durch diese Zahlen deutlich wird, ist Deutschland im europäischen Vergleich beim Glasfaserausbau eines der weniger vorangeschrittenen Länder. Dies liegt vor allem an der historischen Entscheidung, auf Kupfer- und Kabeltechnologien zu setzen, die zwar kurzfristig schneller und billiger zu verlegen waren, aber langfristig nicht die gleiche Leistungsfähigkeit und Zukunftssicherheit wie Glasfaser bieten.
Diese haben eine begrenzte technologische Kapazität und lassen sich nicht einfach erweitern oder anpassen, um neue Dienste oder Anwendungen zu ermöglichen. Ende 2022 wurde mit einer Glasfaserleitung ein experimenteller Rekord von 1,53 Petabit pro Sekunde aufgestellt, also 1,5 Millionen Gigabit pro Sekunde.3 Kommerziell verfügbar ist aktuell typischerweise 1 Gigabit pro Sekunde. Dies zeigt, dass das Potenzial von Glasfaser bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Obwohl bei der Glasfasertechnologie noch mehrere Entwicklungsstufen bevorstehen, haben Kabel- und Kupferanschlüsse bereits ihre technologischen Grenzen erreicht.
Diese sind insbesondere im Upstream anfälliger für Störungen, Schwankungen und Engpässe, was sich bei steigendem Datenverkehr und höheren Anforderungen negativ auf die Qualität der Leistung, die Kundinnen und Kunden am Ende bei Kupfer- und Kabelnetzen erhalten, auswirkt.
Diese erfordern sowohl mehr Energie, als auch mehr Hardware und Personal, um die Leistung und die Sicherheit der Netze zu gewährleisten.
Quelle: Technische Hochschule Mittelhessen (THM)
Daher ist es wichtig, dass Deutschland – sowohl seitens der Regierungsbehörden als auch der Telekommunikationsunternehmen – seine Anstrengungen beim Glasfaserausbau verstärkt, um nicht nur eine hohe Gigabit-Verfügbarkeit zu bieten, sondern auch die Glasfaser-Verfügbarkeit zu erhöhen. Im Zuge dessen hat die Bundesregierung sich zum Ziel gesetzt, alle Haushalte bis 2030 flächendeckend mit Glasfaseranschlüssen zu versorgen.5 Auf Basis der in den vergangenen Jahren beobachteten Entwicklung stellt dieses Ziel eine große Herausforderung für alle beteiligten Akteure dar. Unter der Annahme einer fortschreitenden linearen Ausbaugeschwindigkeit erscheint in Deutschland frühestens im Jahr 2033 eine Glasfaserversorgungsquote von 100 Prozent realistisch (bei einer Anzahl von 42,4 Millionen Haushalten).
Quelle: VATM Marktanalyse Gigabit-Anschlüsse 2019-2024
Der Glasfaserausbau in Deutschland ist ein kapitalintensives Vorhaben, das in den vergangenen Jahren zu ca. 90 Prozent eigenwirtschaftlich finanziert erfolgte.6 Allein im Jahr 2022 investierten die Unternehmen insgesamt 13,1 Milliarden Euro in den Glasfasermarkt.7 Neben den Investitionen der Telekommunikationsanbieter und Investoren aus der Privatwirtschaft, zum Beispiel durch institutionelle Investoren, wie etwa Versicherer oder Pensionsfonds, existiert zusätzlich ein Topf für öffentliche Förderungen des Glasfaserausbaus, welche ausbauende Unternehmen in Anspruch nehmen können. Von den seit Beginn der Breitbandförderung im Jahr 2015 bewilligten 16 Milliarden Euro sind jedoch erst vier Milliarden abgeflossen.6
Seit 2020 sind die Produktionskosten für Glasfaser um 27 Prozent gestiegen8, während die Arbeitskosten in Deutschland um 12 Prozent zugenommen haben.9 Dies erhöht den Druck auf die Rentabilität der Investitionen.
Dies verringert die Attraktivität von langfristigen und risikoreichen Projekten wie dem Glasfaserausbau, die eine hohe Vorab-Investition erfordern.
Dies führt zu Mehrkosten und einer Verzögerung des Ausbaus und damit zu einer Verunsicherung der Kundinnen und Kunden sowie Investoren. In der Konsequenz kann dies dazu führen, dass die Investoren aus dem Markt aussteigen oder ihre Investitionen reduzieren.
Mehrere Insolvenzen von investorenfinanzierten Glasfaserunternehmen konnten bereits beobachtet werden. So meldete zum Beispiel Glasfaser Direkt aus Köln letztes Jahr Insolvenz an und auch der US-Konzern Liberty Global entschied sich, seine Ausbautätigkeiten unter der Marke Hello Fiber einzustellen, wodurch das Unternehmen Ende letzten Jahres Insolvenz anmelden musste. Daher gilt es umso mehr, Vertrauen und Sicherheit im Markt zu schaffen. Während die gestiegenen Kosten für Personal und Material exogene Faktoren schwierig zu beeinflussen sind, ist der sogenannte Überbau oder Doppelausbau ein marktinternes Problem, das entsprechend von den Marktteilnehmern und Regulierungsbehörden beeinflusst werden kann.
Unter Doppelausbau versteht man eine Situation, in der ein Unternehmen zusätzlich zu einer bereits bestehenden Glasfaserinfrastruktur eines Wettbewerbers eine weitere Glasfaserinfrastruktur errichtet. Hierbei betrachtet man Glasfaserleitungen, die bis zu den Endkund:innen reichen (FTTB/H Anschlüsse). Gründe für ein solches Vorhaben können das Erschließen von lukrativen Gebieten sowie das Ziel, weitere Marktanteile zu gewinnen beziehungsweise bestehende Marktanteile zu verteidigen, sein.
Doppelausbau kann grundsätzlich in drei verschiedenen Szenarien erfolgen, wobei nicht jede Variante zwangsläufig zu Problemen führt:
In Regionen, in denen mehrere Glasfasernetze wirtschaftlich tragfähig betrieben werden können, ist ein Doppelausbau langfristig zu erwarten. Hier wird dieser Wettbewerb als tendenziell positiv angesehen, da er die Vorteile eines Infrastrukturwettbewerbs fördert, wie zum Beispiel in Ballungsräumen oder Gewerbegebieten großer Städte, wo Endkund:innen von einer größeren Produktauswahl und niedrigeren Preisen profitieren können. Sollten die Marktanteile in diesen Regionen jedoch asymmetrisch verteilt sein, kann es auch hier dazu führen, dass nur ein Anbieter sein Glasfasernetz flächendeckend profitabel ausbauen kann. In Regionen, in denen ein Netz eigenwirtschaftlich betrieben werden kann, hängt die Auswirkung eines Doppelausbaus von der Größe und dem Umfang des überbauten Gebietes ab. Hier steigt das Risiko, dass der flächendeckende Ausbau nicht mehr tragfähig ist, was dazu führen kann, dass der erste Anbieter nicht mehr alle geplanten Gebiete erschließen kann. In Regionen, in denen der eigenwirtschaftliche Ausbau eines Netzes ohnehin schwierig ist, kann ein Doppelausbau zu erheblichen betriebs- und volkswirtschaftlichen Problemen führen.10 Zum einen verringert er die Rentabilität der ausbauenden Unternehmen aufgrund geringerer realisierter Marktanteile. Zum anderen kann der Doppelausbau zu einem zusätzlichen Fördermittelbedarf für die Gemeinde führen und den Wert des Netzes mindern, insbesondere wenn das erste ausbauende Unternehmen ein gefördertes Netz betreibt.
Je nach Kontext und Umfang kann der Doppelausbau die Größe und Rentabilität eines Glasfasernetzes erheblich beeinflussen. Im fragmentierten deutschen Glasfasermarkt mit vielen kleinen und regional tätigen Unternehmen kann dieser Wettbewerb allerdings in vielen Fällen zu Ineffizienzen und Marktversagen führen. Konkret kann es bei einem doppelten Ausbau eines Gebietes mit Glasfaser zu einer Verschwendung von Ressourcen und einer Verzögerung des Ausbaus, zum Beispiel durch mehr Bürokratie, kommen. Wenn ein dominierender Anbieter seine Marktmacht nutzt, um in direkter Konkurrenz zu bereits bestehenden Anbietern ein eigenes Netz auszubauen, möglicherweise mit dem Ziel, den Wettbewerb einzuschränken und den eigenen Marktanteil zu sichern oder auszubauen, spricht man von einem strategischen Überbau. Dieser kann insbesondere bei kleineren Anbietern zu einer erheblichen Verunsicherung der Investoren führen, da diese möglicherweise Zweifel an der Sicherheit ihrer Rendite entwickeln.
Doppelausbau ist daher ein ernst zu nehmendes Problem, das die Erreichung des Ziels der Bundesregierung, Glasfaser bis 2030 flächendeckendend auszurollen, gefährdet. Demzufolge hat die Bundesnetzagentur eine Monitoring-Stelle für den Doppelausbau eingerichtet, deren erster Zwischenbericht kürzlich erschienen ist. Im Rahmen dessen konnte die Bundesnetzagentur 427 Fälle von Doppelausbau identifizieren.11 Das bedeutet, dass in etwa zwischen 2 und 4 Prozent der Ausbauvorhaben in Deutschland betroffen sind, was ca. 10.000 bis 20.000 jährlich betroffene Haushalte entspricht. Hierdurch entstehen unserer Analyse nach jährlich Mehrkosten von 50 bis 100 Millionen Euro, die letztlich durch höhere Preise von den Kundinnen und Kunden getragen werden müssen.
Um die Investoren im Glasfasermarkt zu schützen und zu fördern, sind daher Maßnahmen erforderlich, die die Kosten und Risiken des Glasfaserausbaus senken und die Sicherheit und Rentabilität der Investitionen erhöhen.
Dies würde die Nachfrage nach Glasfaseranschlüssen erhöhen, die Einnahmen der Anbieter steigern und die Amortisationszeit der Investitionen verkürzen. Ein festes Datum bietet vor allen Dingen den ausbauenden Unternehmen Sicherheit und Planbarkeit, was sich positiv auf die Investitionsstabilität auswirkt. Beispiele bieten der Anbieter Telia in Schweden, welcher sich eine Abschaltung des Kupfernetzes bis Ende 2026 zum Ziel gesetzt hat, oder Telefónica in Spanien mit dem Ziel, ihr Kupfernetz bis Ende 2024 vollständig abzuschalten. In Deutschland geht der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) davon aus, dass die Telekom spätestens 2025 erste Anträge auf regionale Abschaltungen stellen wird. Bisher erfolgte dies lediglich mit zwei Gebieten in Hessen (ca. 450 Haushalte) und Thüringen (ca. 250 Haushalte) in Pilotprojekten. Für eine diskriminierungsfreie Vorgehensweise und um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, fordert der BREKO jedoch, dass die Bundesnetzagentur die Abschaltung des Kupfernetzes durch die Telekom nur dann erlaubt, wenn auch in vergleichbar gut mit Glasfaser versorgten Gebieten von Wettbewerbern das Kupfernetz abgeschaltet wird.12
Konkret sind hierbei Aspekte wie die Transparenz und der Informationsaustausch zwischen den Anbietern sowie Anreize für den kooperativen Ausbau relevant. Dieser kann beispielsweise durch Open Access, bei welchem sich Netzbetreiber gegenseitig Zugang zu ihren Netzen gewähren, oder Infrastruktur-Sharing, die gemeinsame Nutzung von physischer Infrastruktur (Masten, Leerrohre, Gebäude etc.) erfolgen. Auch strengere regulatorische Vorgaben oder eine engere Überwachung des Ausbaus, zum Beispiel durch die Bundesnetzagentur, können von Vorteil sein. Eine Möglichkeit könnte hierbei sein, dass die Bundesnetzagentur die Genehmigung zur Nutzung öffentlicher Verkehrswege für den Ausbau verweigern oder entziehen kann, wenn dieser zu einem Doppelausbau führen würde. Das hieße, dass die Bundesnetzagentur vor der Erteilung der Nutzungsberechtigung prüfen müsste, ob die geplanten Ausbauaktivitäten mit den Regulierungszielen übereinstimmen. Wie zuvor im Detail erläutert, könnten diese Maßnahmen die Verschwendung von Ressourcen vermeiden und die Effizienz des Ausbaus steigern.
In unseren Studien stellen wir regelmäßig fest, dass in etwa die Hälfte der Bevölkerung ungenügend über die Netztechnologien aufgeklärt ist. Dies reduziert sowohl die Kauf- als auch die Zahlungsbereitschaft signifikant. Eine verbesserte Informationslage würde daher die Akzeptanz und die Bereitschaft der Kundinnen und Kunden erhöhen, für einen Glasfaseranschluss zu zahlen und entsprechend zu wechseln. Laut unseren Studien sind aufgeklärte Kundinnen und Kunden bereit, 26 Prozent mehr für einen Glasfaseranschluss zu bezahlen als diese, die nicht über die verfügbaren Netztechnologien aufgeklärt sind. Eine Aufklärung von Kundinnen und Kunden durch Bund, Länder und Kommunen oder auch durch Telekommunikationsunternehmen selbst kann entsprechend die Nachfrage nach Glasfaseranschlüssen erhöhen und die Kundenbindung der Anbieter verbessern.
Unter gigabitfähigen Anschlüssen versteht man Anschlüsse, die eine Downstream-Bandbreite von mindestens 1 Gigabit pro Sekunde bieten können und umfassen sowohl Glasfaser- also auch Kabel- und Kupferanschlüsse. Betrachtet man die Verfügbarkeit solcher Anschlüsse, steht Deutschland vergleichsweise besser dar. Laut einer Studie von IHS Markit hatte Deutschland im Jahr 2021 bereits eine Gigabit-Verfügbarkeit von rund 75 Prozent13, was schätzungsweise dem EU-Durchschnittswert entsprach. Dies liegt daran, dass die bestehenden Kupfer- und Kabelnetze aufgerüstet wurden, um höhere Geschwindigkeiten zu ermöglichen. Laut Schätzungen im Rahmen der VATM-Marktstudie lag die Gigabitverfügbarkeit Mitte 2024 bei 78,6 Prozent.1