Auf deutschen Straßen beispielsweise sind derzeit 1,4 Millionen E-Fahrzeuge unterwegs. Das Ziel der Regierung – 15 Millionen bis 2030 – rückt in immer weitere Ferne.
Die Lust an der Elektrifizierung scheint sich in den letzten Jahren abzuschwächen, in einigen Ländern mehr als in anderen. Doch ist das wirklich so? Und lässt sich der Trend umkehren?
Der Mobilitätswandel ist in vollem Gange. Angetrieben wird er durch technologische Fortschritte, Umweltaspekte und die Veränderung gesellschaftlicher Einstellungen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Elektrifizierung als Reaktion auf die gestiegenen Emissionen von CO₂ und anderen Treibhausgasen etabliert. Die Erwartung, dass diese Transformation zügig vonstatten gehen würde, erfüllte sich allerdings nicht: Insbesondere in Europa scheint die Entwicklung ins Stocken zu geraten. In mehreren Ländern verlangsamt sich der Absatz von Elektroautos im Vergleich zu den Vorjahren deutlich.
Mitte 2024 waren zwar rund 21 % aller in Europa verkauften Neufahrzeuge elektrisch, doch das Wachstum hat sich verlangsamt – in den vergangenen fast drei Jahren lag es nur noch bei 4 %*. Insgesamt sind die Verkäufe damit hinter den Prognosen zurückgeblieben.
*https://www.iea.org/reports/global-ev-outlook-2024/trends-in-electric-cars
1.4 Millionen
Auf deutschen Straßen beispielsweise sind derzeit 1,4 Millionen E-Fahrzeuge unterwegs. Das Ziel der Regierung – 15 Millionen bis 2030 – rückt in immer weitere Ferne.
Das liegt zum Teil daran, dass hier wie auch in vielen anderen Ländern die Subventionen für E-Fahrzeuge gekürzt oder gestrichen wurden, was die Verkaufszahlen deutlich ausbremste. Aber auch andere wichtige Faktoren spielen eine Rolle.
Laut Statista (2024) ist die Zahl der Neuzulassungen von Elektroautos (BEV) in Europa zwischen Januar und Mai 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum unterschiedlich stark angestiegen. Rückgänge gab es in Deutschland (–16 %) und Schweden (–21 %), das Vereinigte Königreich und die Niederlande hingegen verzeichneten einen Zuwachs von 10 %, Frankreich von 23 % und Belgien sogar von 47 %. Insgesamt stieg die Zahl der BEV-Neuzulassungen in der EU in diesem Zeitraum um 2 %.
Dass der Markt für Elektrofahrzeuge stagniert, hängt aber nicht nur mit der wechselhaften Unterstützung durch Regierungen zusammen. Verbraucher:innen sind zunehmend verunsichert: Jede:r möchte ein Teil einer nachhaltigen Lösung für Mobilität sein – aber derzeit bleiben viele Fragen unbeantwortet: Ist E-Mobilität die langfristige Lösung? Setzen wir auf das richtige Pferd? Und können E-Fahrzeuge unsere praktischen Bedürfnisse im Alltag decken?
Weitgehend klar ist: Die Kosten sind ein großes Problem – aber offenbar nicht das einzige, schließlich nähern sich die Preise von E-Autos und Verbrennern immer mehr an. Vielmehr ist es so, dass sich mit jedem neuen Modell die Technologie der E-Autos weiterentwickelt. In diesem Zusammenhang scheuen die Käufer:innen das Risiko eines hohen Wertverlusts, weil dann der Restwert ihres Fahrzeugs schlagartig sinkt. Der Wegfall der Subventionen macht die Rechnung nicht einfacher. Und auch die Betriebskosten – bisher eine klare Stärke von E-Fahrzeugen – stehen auf dem Prüfstand, weil sich abzeichnet, dass die Kilometerleistung besteuert werden könnte.
Ein weiteres grundlegendes Problem ist die „Reichweitenangst“. Allerdings deuten unsere eigenen Recherchen interessanterweise darauf hin, dass die Reichweite ihres Autos den meisten Besitzer:innen von E-Fahrzeugen für tägliche Fahrten völlig ausreicht. Lademöglichkeiten sind für diese Gruppe die deutlich größere Sorge. Es sieht so aus, als sei die Reichweitenangst, die Nicht-E-Auto-Fahrer:innen vom Umstieg abhält, ein Missverständnis. Diesen Mythos gilt es also zu entzaubern.
Zudem herrscht Zweifel daran, dass die von den Herstellern angegebenen Batteriereichweiten von E-Autos unter realen Bedingungen tatsächlich erreicht werden können. Viele Menschen befürchten, dass ungünstige Wetterbedingungen wie extreme Kälte oder Hitze die Leistung der Batterien erheblich beeinträchtigen könnten. Besonders Nicht-E-Auto-Besitzer:innen sind daher nach wie vor skeptisch, ob E-Autos auch außerhalb von Städten eine verlässliche und ernstzunehmende Option darstellen.
Auch der Mangel an Ladestationen wird häufig als Problem genannt. Benzin- und Dieseltankstellen gibt es reichlich – beim Gedanken an E-Ladesäulen dagegen werden die Verbraucher:innen schnell nervös: Sie befürchten, keine Ladestation zu finden oder aber mit defekten, besetzten oder zu langsam ladenden Stationen konfrontiert zu sein. All diese Sorgen verdichten sich zu dem Eindruck, E-Mobilität sei unzuverlässig und Fahrzeiten ließen sich nicht gut planen.
Nicht zuletzt hat auch das Nachhaltigkeitsargument in Bezug auf E-Fahrzeuge viel Kraft verloren – auch das trägt dazu bei, dass der Markt stagniert. Viele potenzielle Käufer:innen erkennen, wie sich die Rohstoffgewinnung auf die Umwelt auswirkt, und dass gefährlicher Batteriemüll entsteht. In der Folge erscheinen ihnen die E-Fahrzeuge plötzlich doch nicht mehr so grün, wie sie vermarktet werden. Für Käufer:innen, die in Bezug auf ökologische Aspekte noch unentschlossen sind, könnten wasserstoffbetriebene Fahrzeuge eine langfristige Option darstellen. Wer auf einen umweltfreundlicheren Umstieg hofft, spekuliert angesichts der Verlangsamung des E-Auto-Markts womöglich darauf, dass Wasserstoff-Autos sich zur brauchbaren Alternative entwickeln – und bleibt für einen weiteren Fahrzeugzyklus beim Verbrenner.
Der Mangel an Vertrauen in die Zukunft des E-Fahrzeugs beschränkt sich aber nicht auf die Verbraucher:innen. Auch einige der großen OEMs zeigen sich zunehmend zögerlich: So macht etwa Volvo gerade einen Rückzieher bei seiner Verpflichtung, bis 2030 nur noch Elektroautos zu verkaufen.
Die Zurückhaltung der Hersteller erklärt sich teilweise durch die Maßnahmen und Richtlinien der Regierungen: Dass sie die Subventionen für E-Fahrzeuge einschränken, werten OEMs als Zeichen dafür, dass sie nicht vollständig von der Notwendigkeit des Wandels überzeugt sind. Unterdessen hat die EU kürzlich die Zölle auf chinesische E-Fahrzeuge erhöht, um die Flut der Billigimporte einzudämmen. Nach Berechnungen des IfW (Handelsblatt 2024) werden die EU-Zölle von durchschnittlich 31% auf die drei großen chinesischen OEMs das Importvolumen von chinesischen E-Autos um etwa 25 % reduzieren.
Viele Länder haben zudem nur halbherzig und unzureichend in neue und verbesserte E-Infrastrukturen investiert – etwa Spanien, Italien und das Vereinigte Königreich. Die so wichtigen Programme für mehr Ladepunkte sind nur langsam angelaufen. Auch viele große Energieversorger bringen sich nur zögerlich in das Projekt Mobilitätswandel ein, obwohl neue Akteure aus anderen Branchen (z. B. Tesla, Ionity) und einige Energieriesen (Total, Shell, BP) bereits dabei sind, entsprechende Netze aufzubauen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Regulatoren: Ihre Aufgabe ist es, universelle Standards für OEMs, Infrastrukturanbieter und sogar Hausbauunternehmen festzulegen. Jedes EU-Mitgliedsland muss diese Richtlinien in nationales Recht umsetzen – das kann Jahre dauern und zu länderspezifischen Unterschieden bei der Umsetzung führen. Angesichts der Anzahl und Vielfalt der Nationen in Europa scheint es, als nehme keines der Länder die Verantwortung ernsthaft wahr.
Branchenweit geht also das Vertrauen in den Mobilitätswandel zurück. Einfach zusammengefasst: Die Branche hat durchaus den Ehrgeiz, etwas zu erreichen, aber ihre Programme laufen über mehrere Jahre, und die politische Meinung ändert sich immer schneller. So ist es für die OEMs schwierig, zu reagieren. Was fehlt, ist eine koordinierte, gemeinsame Vorstellung davon, wo die E-Mobilität mittel- und langfristig stehen soll.
Autohersteller, Regierungen, Energieversorger/Netzbetreiber und Anbieter von Ladepunkten müssen an einem Strang ziehen. Allerdings gibt es ein weiteres Problem, das dem Ziel einer europaweit gemeinsamen Anstrengung im Wege steht.
Nutzung von und Nachfrage nach privater Mobilität in städtischen und ländlichen Gebieten unterscheiden sich erheblich. In Städten mit ihrer besser integrierten und hochentwickelten Verkehrsinfrastruktur ist es für die Menschen viel einfacher, neue Verkehrsmittel auszuprobieren. Auch ist der Ausbau der Netze in dicht besiedelten Gebieten wirtschaftlich rentabler. Allerdings ist der Platz für Wandladestationen in den Städten begrenzt – daran wiederum herrscht in ländlichen Gebieten kein Mangel. Dennoch: Selbst mit Subventionen ist es teuer, den ländlichen Raums anzubinden und den privaten Besitz von E-Fahrzeugen zu fördern, der ROI ist wenig attraktiv. All diese Faktoren stellen vorwiegend ländlich geprägte Nationen vor große Hürden.
Nicht einmal in Städten ist es ein Selbstgänger, die Akzeptanz von E-Fahrzeugen zu erhöhen. So gibt es in den Ballungsgebieten Mehrfamilienhäuser, in denen durchaus rund 100 Familien leben können. In solchen Wohngebäuden gibt es derzeit nur wenige oder gar keine privaten Ladestationen, in Deutschland verfügen nur etwa 7 % der Mehrfamilienhäuser über entsprechende Einrichtungen (ADAC 2024).
Verschiedene Länder stehen vor jeweils eigenen Herausforderungen – und verfolgen entsprechend unterschiedliche Strategien, um diese zu bewältigen. So verfolgen etwa die Niederlande einen klugen Ansatz mit großen Investitionen in die Infrastruktur und einem eher schrittweisen Abbau der Subventionen. Andere – vor allem Spanien und Italien – zeigen aufgrund höherer Energiepreise und begrenzter Mittel für Investitionen derzeit weniger Engagement.
Auch der Krieg in der Ukraine wirkt sich auf die Entwicklung der Mobilität in Europa aus. Einige hatten erwartet, dass er die Transformation beschleunigen würde; tatsächlich jedoch gerieten die Energiepreise unter Druck – und mit ihnen der Mobilitätswandel. Auf dem Nachhaltigkeitsgipfel der Süddeutschen Zeitung im Juni 2024 erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, wegen der steigenden Energiepreise aufgrund der Abhängigkeit von russischem Gas habe Deutschland bei der Elektrifizierung zwei Jahre Zeit verloren. Andere Probleme wie die Energieversorgungssicherheit hätten in dieser Zeit eine höhere Priorität gehabt.
Die E-Transformation ist nicht vollständig zum Stillstand gekommen, wurde aber durch zahlreiche Faktoren massiv ausgebremst.
In der Folge zeigt sich das Bild eines fragmentierten, uneinheitlichen und dezentralen Ansatzes: mehr Zweideutigkeit als Zielorientierung. Aus der Nachhaltigkeitsperspektive ist eine erfolgreiche Mobilitätswende für Europa der direkteste Weg, die CO2-Reduktionsziele für den Verkehrssektor zu erreichen. Nach wie vor fehlt es aber an den erforderlichen koordinierten Maßnahmen und Investitionen.
Grundlegende Veränderungen sind nötig, um Vertrauen und Dynamik wiederherzustellen – bei Verbraucher:innen ebenso wie bei der Industrie. Im nächsten Artikel dieser Serie zeigen wir, wie das gehen kann.