Deutschland im Dauerkrisenmodus. Kaum war die COVID-19-Pandemie überstanden, folgte ein fortdauernder Krieg in der Ukraine, ein verschärfter Konflikt in Nahost durch die Angriffe vom 7. Oktober 2023 und nun das „Haushaltsloch“ mit ungewissen Folgen für die Deutschen. All das forciert eine spürbar wachsende Verunsicherung in der deutschen Bevölkerung und Wirtschaft. Vorzeichen, die für das diesjährige Weihnachtsgeschäft als wichtigste Zeit für den Einzelhandel kaum schlechter sein könnten. Unsere Studie zeigt: Tiefrote Handelsindikatoren unterstreichen die pessimistische Stimmung der Händler und zeichnen indes ein klares Bild, nämlich das eines herausfordernden Weihnachten 2023 für den Handel.
Im Rahmen des alljährlichen „Holiday Newsletters“ haben wir auch dieses Jahr gemeinsam mit dem IIHD | Institut eine Konsumentenbefragung zum Status des Weihnachtsgeschäfts durchgeführt. Wie auch in den vergangenen Jahren umfasst die Weihnachtsbefragung am ersten Adventssamstag insgesamt 20 deutsche Städte mit den passantenstärksten Einkaufsstraßen Deutschlands und zeigt, was der Einzelhandel in den letzten Wochen bis zum Weihnachtfest noch erwarten kann und wie sich das aktuelle Konsumverhalten der Konsument:innen gestaltet.
Die Zahlen der Passantenfrequenz an Deutschlands Top-Handelsstandorten zeichnen am 02. Dezember 2023 ein gemischtes Bild. Auch wenn vereinzelte Standorte eine positive Frequenz aufweisen, scheint der allgemeine Aufwärtstrend in diesem Jahr erstmal gestoppt. Mehr als die Hälfte der beliebtesten Einkaufsstraßen Deutschlands kämpfen mit einem deutlichen Frequenzrückgang im Vergleich zum Vorjahr. Darunter auch die Top 3 des Vorjahres, München (-28,2 Prozent), Hannover (-8,4 Prozent) und Frankfurt am Main (-10,7 Prozent), die teils signifikante Frequenzeinbußen hinnehmen müssen. Weitere Zahlen und potenzielle Gründe für die Entwicklung finden Sie in unserer Studie.
Zwar haben sich die Entwicklungen der Wirtschafts- und Wohlstandsindikatoren wie z.B. des Börsenindex DAX, der Inflationsquote oder des verfügbaren Einkommens im Vorjahresvergleich deutlich positiv entwickelt. Die für das Weihnachtsgeschäft maßgeblichen Handelsindikatoren, allen voran die Umsatzentwicklung in den Geschenke-relevanten Kategorien sind jedoch tiefrot. Wir gehen im diesjährigen Weihnachtsgeschäft in den Geschenke-relevanten Produktkategorien zwar von einem geringen nominalen Wachstum (stationär und online) von 1,8 Prozent auf nunmehr 89 Milliarden Euro aus – unter Berücksichtigung der aktuellen Inflationsraten ergibt sich preisbereinigt damit jedoch erneut ein Umsatzrückgang von 1,4 Prozent (2022: -5,8 Prozent).
Die Umsatzaussichten für das diesjährige Weihnachtsgeschäft erscheinen nur auf den ersten Blick positiv. Die anhaltende Inflation sorgt für einen preisbereinigten Umsatzrückgang. Die Konsumzurückhaltung setzt den gesamten Einzelhandel unter Druck. Insbesondere der Online-Handel wird zunehmend herausgefordert. Das deckt sich mit der pessimistischen Stimmung der Konsumentinnen und Konsumenten im Hinblick auf das nächste Jahr.
Kay Manke, globaler Leiter Operations bei BearingPoint und Retail-Experte
Das bevorstehende Fest und der Jahreswechsel sind für ein Großteil der Deutschen kein Grund zur Freude. So geht die deutliche Mehrheit der befragten Konsument:innen (57,5 Prozent) mit gemischten Gefühlen oder gar mit Ängsten in das neue Jahr. Die Dystopie der Konsument:innen resultiert dabei aus deren Erwartungen hinsichtlich der allgemeinen wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands, der finanziellen Entwicklung ihres eigenen Haushalts sowie aus deren Erwartungen an die kommende Entwicklung der Verbraucherpreise.
Bei knapp 45 Prozent der Befragten haben die negativen Erwartungen einen deutlichen, wenn auch ambivalenten Einfluss auf deren Ausgaben im diesjährigen Weihnachtsgeschäft. Davon plant die Hälfte in diesem Jahr weniger Geld für Weihnachtsgeschenke auszugeben, da es aufgrund der negativen Erwartungen aus ihrer Sicht ratsam ist, zu sparen. Die andere Hälfte gibt wiederum an, aufgrund der Erwartungen für 2024 dieses Jahr mehr Geld für Weihnachtsgeschenke auszugeben. Entweder um sich „nochmal“ großzügig zu zeigen (13 Prozent) oder da sie davon ausgehen, dass im kommenden Jahr weniger Geld zur Verfügung haben werden (9 Prozent).
Themen wie ein Krieg im Nahen Osten, ein geplatzter Bundesfinanzhaushalt und möglicherweise die Sorge, dass zugesagte Energiezulagen im nächsten Jahr entfallen könnten, trüben die Konsumstimmung in Deutschland auch zum eher besinnlichen Weihnachtsfest.
Prof. Dr. Jörg Funder, Geschäftsführer des Handelsforschungsinstituts IIHD
Die Ergebnisse unserer Umfrage überraschen in einem Aspekt positiv: Die Zahlungsbereitschaft der Konsumentinnen und Konsumenten für Nachhaltigkeit und Ökologie ist im Vergleich zum Vorjahr signifikant gestiegen. Trotz der allgemeinen pessimistischen Stimmung und der Zukunftsängste der Verbraucherinnen und Verbraucher gewinnen diese Themen weiterhin an Bedeutung. Für mehr als 70 Prozent der Befragten ist nachhaltiger Konsum auch beim Geschenkeeinkauf – z.B. dem Kauf von fair gehandelten Waren – wichtig (+13,9 Prozentpunkte zum Vorjahr). Ein bewussterer Konsum und die Reduktion des Ressourcenverzehrs – z.B. durch die Bündelung von Bestellungen oder der Abholung von Bestellungen in stationären Ladengeschäften – sind für knapp 60 Prozent der Befragten wichtig (+11,2 Prozentpunkte zum Vorjahr). Es zeigen sich weiterhin 54,6 Prozent bereit, im Sinne der Nachhaltigkeit Mehrausgaben in Kauf zu nehmen. Gegenüber 2022 steigt der Anteil um +14,2 Prozentpunkte. Die Quintessenz für den Einzelhandel ist (spätestens ab heute) deutlich: Nachhaltigkeit und Ökologie bewegen die Mehrheit der Konsumentinnen und Konsumenten.
Über die Holiday Newsletter
BearingPoint und das IIHD | Institut verfolgen bereits seit vielen Jahren die Entwicklungen des Weihnachtsgeschäftes und fassen die Erkenntnisse in ihrer Publikationsreihe Holiday Newsletter zusammen. Strategien, aktuelle Trends und Innovationen im Weihnachtsgeschäft werden analysiert und kommentiert.