Dezember 2024
Im Rahmen des alljährlichen „Holiday Newsletters“ haben wir erneut gemeinsam mit dem IIHD | Institut eine Konsumentenbefragung zum Status des Weihnachtsgeschäfts durchgeführt. Wie auch in den vergangenen Jahren wurden am ersten Adventssamstag insgesamt 1.200 Personen in den 20 am stärksten frequentierten Einkaufsstraßen Deutschlands befragt. Die Ergebnisse zeigen, was den Handel in den letzten Wochen bis zum Weihnachtfest noch erwartet und wie sich das aktuelle Konsumverhalten der Verbraucher:innen gestaltet.
Während 2023 noch mehr als die Hälfte der untersuchten Einkaufsstraßen mit einem deutlichen Frequenzrückgang im Vergleich zum Vorjahr kämpfte, erleben die Innenstädte am ersten Adventswochenende 2024 ein überraschendes „Revival“. In 11 der 20 Top-Einkaufsstraßen liegen die Besucherzahlen sogar über den Werten des Vor-Corona-Jahres 2019. Vorreiter mit den einschlägigsten Zuwachsraten sind Köln (+56 Prozent ggü. Vorjahr) und München (+49 Prozent ggü. Vorjahr). Dennoch bleibt fraglich, ob der stationäre Handel tatsächlich von der zunehmenden Frequenz in den Innenstädten profitieren kann. Denn für Umsätze im innerstädtischen Einzelhandel ist nicht unbedingt die Zahl der Läufer:innen (Passant:innen), sondern vor allem die Motivation der Käufer:innen relevant – und die scheint ambivalent im diesjährigen Weihnachtsgeschäft. Mehr dazu sowie zu weiteren Entwicklungen finden Sie in unserer Studie.
Ähnlich wie im letzten Jahr zeigt die Befragung, dass das bevorstehende Fest und der Jahreswechsel für viele Menschen in Deutschland kein Anlass zur Freude sind. Während im Vorjahr jedoch zumindest noch 30 Prozent der Befragten optimistisch ins neue Jahr blickten, erwarten 2025 nur noch 5 Prozent eine positive Entwicklung. Die Hauptursachen für diese negative Stimmung liegen vor allem an deren pessimistischen Erwartungen, was die aktuelle Wirtschaftslage (90 Prozent gehen von keiner Verbesserung, davon 50 Prozent sogar von einer weiteren Verschlechterung aus) und die eigene finanzielle Situation (37 Prozent gehen von einer Verschlechterung aus) betrifft. Zusätzlich erwarten knapp die Hälfte der Konsument:innen einen deutlich stärkeren Anstieg der Verbraucherpreise im kommenden Jahr.
Die größten Ängste der deutschen Bevölkerung betreffen außenpolitische Angelegenheiten. Besonders die unklare Rolle der USA in der Weltpolitik aufgrund des Regierungswechsels stimmt mehr als 80 Prozent der Befragten ängstlich. Die Befragten zeigen sich besorgt darum, die US-amerikanischen Partner unter einem Präsidenten Trump nicht einschätzen zu können. Darüber hinaus fürchten sie die Zunahme und Ausweitung von militärischen Konflikten, z.B. im Ukraine/Russland- oder Nahostkonflikt zwischen Israel und der Hamas/Hisbollah.
Die innenpolitische Situation bringt dieser allgemeinen Angstlage keine Erleichterung. Das Scheitern der deutschen Regierungskoalition und die daraufhin vorzuziehende Neuwahlen im Jahr 2025 sind für 76 Prozent der Befragten ein besorgniserregender Faktor. Doch damit hört es nicht auf. Andere Themen wie die Zunahme von Kriminalität, der Klimawandel und ein schwächer werdender Arbeitsmarkt forcieren die Ängste der Befragten weiterhin, wenn auch auf geringerem Niveau. Zusätzlich sehen 20 Prozent Migration und Zuwanderung als eine zentrale Herausforderung für das kommende Jahr, die für zumindest gemischte Gefühle sorgt.
Trotz der pessimistischen Erwartungen der Konsument:innen zur Wirtschaftslage und der politischen Unsicherheiten zeigen die Ergebnisse der Weihnachtsbefragung eine überraschende Wende: Fast 40 Prozent der Befragten planen, mehr Geld für Weihnachtsgeschenke auszugeben. Diese „Jetzt erst recht“-Mentalität wird von verschiedenen Gründen getragen. Knapp 14 Prozent der Befragten planen, dieses Jahr mehr für Geschenke auszugeben, um sich nochmal großzügig zu zeigen (2023: 13 Prozent). Weitere 14 Prozent machen dieses Jahr mehr Geschenke, da sie befürchten, aufgrund ihrer persönlichen finanziellen Lage im kommenden Jahr weniger Geld dafür zur Verfügung zu haben (2023: 9 Prozent). 11 Prozent halten den Augenblick gerade für günstig, um Produkte aufgrund von erwarteten Preissteigerungen im Jahr 2025 jetzt zu kaufen (2023: 0,4 Prozent).
Insgesamt sind durchschnittlich 566 Euro für Weihnachtsausgaben geplant – eine deutliche Steigerung von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nur 19 Prozent der Befragten geben an, weniger ausgeben zu wollen.
Das Paradoxon der steigenden Weihnachtsausgaben verdeutlicht, wie stark psychologische und emotionale Faktoren das Verbraucherverhalten gerade in Krisenzeiten beeinflussen können. Für den Handel könnte sich diese Dynamik durch das veränderte Kaufverhalten positiv auswirken, sodass sich die derzeit gefüllten Lager des Einzelhandels bis Weihnachten möglicherweise noch leeren. Insofern sprechen zumindest die Absichten der in Deutschland Lebenden für eine vielversprechende Jahresendrallye im Einzelhandel. Ob diese jedoch den durch den Konsumverzicht über das Jahr aufgelaufenen Umsatzverlust wettzumachen vermag, bleibt eher kritisch zu beurteilen.
Prof. Dr. Jörg Funder, Geschäftsführer des Handelsforschungsinstituts IIHD
Die erwarteten höheren Ausgaben für Weihnachtsgeschenke sowie die steigenden Besucherzahlen in den Innenstädten klingen zunächst positiv für den stationären Handel, haben jedoch eine dramatische Kehrseite: Rund 83 Prozent ihres Weihnachtsbudgets planen die Befragten dieses Jahr für Onlinekäufe ein – ein Rekordwert. Zum Vergleich: In letzten beiden Jahren – unter der Coronapandemie – betrug der Anteil des Onlinehandels am Geschenkebudget „nur“ 49 Prozent (2021) beziehungsweise 62 Prozent (2022). Insofern ist dieses Jahr mit 470 Euro nicht nur die absolute Höhe des Onlinebudgets, sondern mit 83 Prozent auch der Anteil der Onlinekäufe am gesamten Geschenkebudget bemerkenswert.
Nie war der Anteil an Onlineausgaben am Weihnachtsbudget höher. Während die eigentlichen Käufe online getätigt werden, suchen die Konsumentinnen und Konsumenten in den Einkaufspassagen offenbar nach Erlebnissen und sozialem Austausch. Entscheidend ist, diese Besucherinnen und Besucher in Käuferinnen und Käufer zu verwandeln. Der stationäre Einzelhandel muss auf diese Entwicklung reagieren und entsprechende Strategien entwickeln, um die Kundschaft mit kreativen Konzepten wiederzugewinnen.
Kay Manke, Retail-Experte und globaler Leiter Consulting Portfolio & Innovation bei BearingPoint
Ob die geplanten hohen Ausgaben im Onlinehandel von den Konsument:innen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Bis zum ersten Adventswochenende lagen die tatsächlichen Online-Ausgaben mit 20 Prozent deutlich unter den Erwartungen. Gleichzeitig wurde in den letzten Jahren deutlich, dass die finalen Wochen bis zum Weihnachtsfest typischerweise dem stationären Handel gehören. Es bleibt also spannend, wie sich das Kaufverhalten der Verbraucher:innen im Dezember entwickelt. Sollten die Passantenströme hoch bleiben und der stationäre Handel durch persönliche Beratung oder eine stimmungsvolle weihnachtliche Gestaltung seiner Geschäfte punkten, mag es gelingen, Teile des Budgets für sich zu gewinnen. Der „Kampf“ online versus offline im Weihnachtsgeschäft ist also noch nicht entschieden.
BearingPoint und das IIHD | Institut verfolgen bereits seit vielen Jahren die Entwicklungen des Weihnachtsgeschäftes und fassen die Erkenntnisse in ihrer Publikationsreihe Holiday Newsletter zusammen. Strategien, aktuelle Trends und Innovationen im Weihnachtsgeschäft werden analysiert und kommentiert.