August 2023

 

Während die Relevanz von Nachhaltigkeit im Allgemeinen unverändert (hoch) zu bleiben scheint, zeigt sich gleichzeitig, dass das Thema viele Menschen zunehmend polarisiert oder ermüdet. Zudem sinkt der Einfluss von Nachhaltigkeit auf die Wahl einer Versicherung für Verbraucherinnen und Verbraucher. Versicherer können sich dementsprechend nicht mehr auf Nachhaltigkeit als Differenzierungsmerkmal beruhen – ein Strategiewechsel scheint geboten. Das und mehr zeigt das aktuelle Stimmungsbarometer, basierend auf unserer zum dritten Mal durchgeführten Umfrage zum Thema „Sustainable Insurance“.

Bild von Giso Hutschenreiter, Partner bei BearingPoint und Versicherungsexperte

Unsere Gesellschaft ist bei Nachhaltigkeit zunehmend polarisiert und bringt zunehmend Skepsis gegenüber Unternehmen generell und bei Versicherungen nochmals verstärkt auf. Versicherungsunternehmen müssen sich offenbar eher als Ganzes präsentieren und dabei Fairness und Glaubwürdigkeit in ihre Nachhaltigkeitsstrategie integrieren; Versicherungsunternehmen scheinen verstärkt an ihrer Wahrnehmung als Unternehmen arbeiten zu müssen, um in der Folge auch mit nachhaltiger Ausrichtung von Produkten punkten zu können. Zudem erwarten Verbraucherinnen und Verbraucher bei einem gesellschaftlich gewünschten Verhalten in Bezug auf Nachhaltigkeit eine positive Wirkung auf die Prämie bzw. Rendite.

Giso Hutschenreiter, Partner bei BearingPoint und Versicherungsexperte

Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick:

Status quo: Nachhaltigkeit in Gesellschaft, Unternehmen und persönlichem Handeln

Die Antworten auf die Fragen zum allgemeinen Stimmungsbild spiegeln wider, dass die Relevanz von Nachhaltigkeit noch immer als hoch eingestuft wird. Es zeigen sich jedoch Unterschiede bezüglich der eingeschätzten Einflussnahme verschiedener Akteure. Mehr als die Hälfte der Befragten glaubt, dass Nachhaltigkeit das Handeln der Gesellschaft beeinflusst. Bei Unternehmen liegt dieser Anteil nur noch bei 43 Prozent. In Bezug auf ihr persönliches Handeln geben 47 Prozent der Befragten an, dass die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen dieses beeinflusst. Beispiele für eigenes Handeln sind hauptsächlich mit Umweltschutz und Ressourcenschonung verbunden und äußern sich konkret durch Verzicht, bewussteres Handeln und Einsparung. Diese Angaben mögen einem generellen Verhalten in der Krise entgegenkommen, spiegeln aber auch Sichtweisen in Hinblick auf das gewünschte Verhalten von Versicherungsunternehmen wider. Allerdings bedeutet dies nicht, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nur positive Erwartungen mit dem Thema Nachhaltigkeit verbinden. Den Ergebnissen der Studie kann man eine Skepsis gegenüber Unternehmen im Allgemeinen entnehmen, die sich simultan in eine stärkere Skepsis gegenüber Versicherungen überträgt.

Rolle der Versicherer in der Förderung von Nachhaltigkeit

Die Erwartungshaltung an Versicherungsunternehmen in Hinblick auf die Förderung von Nachhaltigkeit sinkt erneut - dass Versicherer diesbezüglich eine wichtige Rolle einnehmen sollen, bejahen nochmals deutlich weniger Verbraucher:innen als in den Vorjahren. Während im Jahr 2021 noch 71 und im Jahr 2022 noch 53 Prozent der Deutschen der entsprechenden Aussage zustimmten, sind es gegenwärtig nur noch 39 Prozent. Dass Verbraucherinnen und Verbraucher das Produktangebot und das Verhalten des Versicherungsunternehmens als Ganzes kaum unterscheiden können oder wollen, zeigen die Umfragen der letzten drei Jahre. Denken Verbraucherinnen und Verbraucher an Nachhaltigkeit bei Versicherungen, kommt ihnen offenbar primär das Verhalten des Unternehmens in den Sinn. Dieses schließt komplexe Themen wie Transparenz, Glaubwürdigkeit und Fairness ein. Das bedeutet: Die Kundinnen und Kunden betrachten ihr Versicherungsunternehmen, sein Verhalten und die Produkte als Einheit – dementsprechend müssen die Versicherungen reagieren.

Bereitschaft zu Leistungseinbußen oder höheren Prämien

Die Zustimmungswerte bezüglich der nachhaltigen Ausgestaltung und Preispolitik von Produkten sind erneut gesunken. Während im Jahr 2022 noch 32 Prozent Bereitschaft äußerten, zugunsten der Nachhaltigkeit auf Versicherungsleistungen zu verzichten, sind hierzu aktuell nur noch 26 Prozent der Befragten bereit. Hierbei zeigt sich die Akzeptanz bei den 18- bis 24-Jährigen fast doppelt so hoch wie bei den über 55-Jährigen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Frage zur Bereitschaft, eine höhere Prämie für einen nachhaltigen Zweck zu zahlen. Nur 22 Prozent der Deutschen wären aktuell bereit, einen Aufpreis hierfür zu zahlen – im Vorjahr waren es noch 27 Prozent. Inzwischen lehnen also etwa zwei Drittel (64 Prozent) eine erhöhte Prämie zugunsten der nachhaltigen Produktausrichtung ab. Auch dieser Wert spitzt sich zu, lag jedoch im Vorjahr bereits bei 60 Prozent. Es wird deutlich: Nachhaltigkeit darf aus Sicht der Kundinnen und Kunden nicht auf ihre Kosten gehen.

Nachhaltigkeit als Einflussfaktor auf die Wahl einer Versicherung

Die Chance, sich gegenwärtig durch nachhaltige Produkte zu differenzieren, scheint für Versicherer zunehmend geringer zu werden. Die Frage, ob das Angebot nachhaltiger Produkte die Wahl ihres Versicherers beeinflusst, verneinten 60 Prozent der Befragten (2022: 51 Prozent; 2021: 48 Prozent). Für nur noch 19 Prozent ist Nachhaltigkeit ein (klarer) Einflussfaktor für die Versicherungswahl. Hier zeigt sich deutlich eine absteigende Entwicklung, denn im Vorjahr waren es noch 29 Prozent und 2021 sogar noch 34 Prozent. Auffällig hierbei ist, dass ein Großteil der 18 bis 34-Jährigen sich im Feld der Befragten mit keinen Angaben beziehungsweise der Antwort „weiß nicht“ befindet – ein Ergebnis, das für viel Verunsicherung in der jüngeren Bevölkerung spricht.

Zukunftsausblick

Dieses Jahr wurde die Studie durch eine zusätzliche Frage zum Zukunftsausblick der Verbraucherinnen und Verbraucher ergänzt. Das Stimmungsbild zeigt sich heterogen und insgesamt wenig positiv. Laut 24 Prozent der Teilnehmenden wird die Bedeutung von Nachhaltigkeit zunehmen und einen positiven Einfluss auf ihr persönliches Umfeld haben. 15 Prozent hingegen sind der Meinung, die Auswirkung wird sich eher negativ entwickeln und 24 Prozent gehen davon aus, dass das Thema an Bedeutung verlieren wird. Weitere 23 Prozent erwarten keine Veränderungen und 16 Prozent machten keine Angaben. Hervor sticht erneut die Gruppe der 18 bis 34-Jährigen – diese glauben leicht vermehrt an einen persönlich negativen Effekt oder einen Bedeutungsverlust von Nachhaltigkeitszielen. Nur ein Viertel der Gesamtbevölkerung erwartet für sich persönlich Verbesserungen im Rahmen des Themas Nachhaltigkeit. Das Stimmungsbild zur Zukunft der Nachhaltigkeit scheint nicht mehr so eindeutig wie noch vor zwei Jahren.

 

Über die Studie

An der Online-Umfrage zum Thema „Sustainable Insurance“, durchgeführt vom Marktforschungsinstitut YouGov Deutschland, nahmen zwischen dem 30. Juni und 2. Juli 2023 insgesamt 2.086 Personen in Deutschland teil. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Die Umfrage wurde in vergleichbarer Weise auch in den Jahren 2021 und 2022 durchgeführt und erlaubt die Ableitung von Entwicklungen.

 

Download der Infografik

  • Stimmungsbarometer „Sustainable Insurance“ 2023
    Stimmungsbarometer „Sustainable Insurance“ 2023 1.26 MB Download

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