BearingPoint und das IIHD Institut beleuchten das Potenzial des Online-Lebensmittelhandels in Deutschland und zeigen, wie die Schwächen der großen Anbieter innovativen Start-ups neue Handlungsspielräume eröffnen.
Frankfurt am Main/Worms, 15. Dezember 2020 – Der Online-Lebensmittelhandel gilt als das Wachstumssegment des Handels mit prognostizierten durchschnittlichen Wachstumsraten von weltweit knapp 25 Prozent pro Jahr bis 2027 (Grand View Research 2020). Neben China (mit 31 Prozent) verzeichnet dabei insbesondere Deutschland mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 24 Prozent besonders starke Wachstumsraten im Online Food Retailing. Trotz der hohen Wachstumsraten zeigt ein näherer Blick jedoch, dass der Online-Lebensmittelhandel gemessen an seinem Anteil am gesamten Lebensmittelhandel in Deutschland bisher kaum von Bedeutung ist. Selbst bis 2023 wird der Online-Lebensmittelhandel in Deutschland kaum einen Anteil von mehr als 1,5 Prozent am gesamten Lebensmittelhandel erreichen.
Der Online-Lebensmittelhandel zählt zu den großen Gewinnern der COVID-19-Pandemie. Die Angst vieler Konsumenten vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 führte und führt dazu, dass viele Konsumenten Interaktionen mit Mitmenschen meiden und daher auch für den Lebensmittel-Einkauf erstmalig auf den Online-Kanal zurückgreifen. In der Folge führte diese Entwicklung dazu, dass bereits in der zweiten März-Hälfte die Zahl der Online-Lebensmittelkäufe in Deutschland mit einem Plus von 142 Prozent auf ein Allzeithoch angestiegen ist (verglichen mit dem Vorjahreszeitraum vor der COVID-19-Pandemie). Damit eröffnet sich für den Online-Lebensmittelhandel ein unerwartetes Zeitfenster, um Neukunden zu gewinnen und diese von den Vorteilen des Online-Lebensmittelhandels zu überzeugen.
Die Initialzündung, das heißt eine nachhaltige Ausprägung neuer Verhaltensmuster, scheint jedoch auszubleiben.
Zwar könnten die Rahmenbedingungen für den Online-Lebensmittelhandel vor dem Hintergrund der Pandemie kaum besser sein, die eigentliche Motivation der Konsumenten für den Online-Einkauf von Lebensmitteln liegt jedoch weniger in den Wettbewerbsvorteilen dieses Modells, sondern vielmehr in der reinen Notwendigkeit der Kontaktreduktion begründet und spricht daher vielmehr für einen temporären Effekt. Der zentrale Grund für den Online-Einkauf von Lebensmitteln wird deshalb nach überstandener Pandemie wieder entfallen.
Kay Manke, Partner bei BearingPoint und Retail-Experte
Darüber hinaus offenbarte der abrupte und rasante Anstieg der Nachfrage im Online-Lebensmittelhandel als unmittelbare Folge der COVID-19-Pandemie unverblümt zentrale Schwachstellen auf der Anbieterseite, die ebenfalls gegen einen langfristigen Effekt sprechen. Insbesondere betrifft dies die unzureichenden Logistikkapazitäten sowie die hohen Kosten für die „letzte Meile“-Belieferungen in ländlichen Gebieten mit geringerer Bevölkerungsdichte und damit einhergehend die fehlende landesweite Abdeckung. Dies zeigt, dass viele Händler schlichtweg (noch) nicht in der Lage sind, die sich auftuende Gelegenheit zu nutzen und eine so plötzlich ansteigende Nachfrage zu bedienen.
Prof. Dr. Jörg Funder, Geschäftsführender Direktor IIHD Institut
Auf Konsumentenseite führte dies zu enttäuschten Erwartungen, insbesondere bei Kriterien, die eigentlich als grundlegende Stärken des Online-Handels gelten: Versand und Lieferung, Produktverfügbarkeit und Preis. Insbesondere die höheren Preise stellen ein hohes Enttäuschungspotenzial auf Konsumentenseite dar. So empfinden lediglich drei Prozent der Kunden die Preise im Online-Lebensmittelhandel als angemessen, was auf ein zentrales strukturelles Problem des Online-Lebensmittelhandels hindeutet, dem langfristig nur durch grundlegende Anpassungen der Geschäfts- und Betriebsmodelle begegnet werden kann.
Ein nachhaltig erfolgreicher Online-Lebensmittelhandel wird nur gelingen können, wenn dieser auch für die Handelsunternehmen auf einem profitablen Geschäftsmodell aufbaut. Die bloße Erweiterung des stationären Vertriebs um den Online-Kanal, ohne dabei die zentralen, erfolgskritischen Stellschrauben zu verändern, wird dabei langfristig kaum zum Erfolg führen – wie die letzten Jahre eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben.
Kay Manke, Partner bei BearingPoint und Retail-Experte
Vielmehr werden laut Studie fünf grundlegende Anpassungen bestehender Geschäfts- und Betriebsmodelle unausweichlich:
Der vollständige Ausgabe des NEWretail#6 White Papers steht unter folgendem Link zur Verfügung: NEWretail#6 - Online Food Retailing
Während die etablierten stationären Lebensmitteleinzelhändler kaum über die „ersten Gehversuche“ im Online-Lebensmittelhandel hinausgekommen sind, eröffnen die Schwächen der großen Anbieter innovativen Start-ups neue Handlungsspielräume. So scheint der Online-Lebensmitteleinzelhandel – zumindest in Deutschland – aktuell nur für spezialisierte Online-Pure-Player ohne den herkömmlichen Kostenapparat lukrativ zu sein, die sich nicht alleine über den Preis positionieren und meist keine eigene, teure „letzte Meile“-Logistik vorhalten. Diese Newcomer wie beispielsweise Querbeet, Kaufnekuh oder auch Etepetete fokussieren sich fast ausschließlich auf nachhaltig hergestellte und gesunde Produkte und nutzen dabei den Trend zum nachhaltigen Konsum. Sie zeigen, dass der Online-Lebensmittelhandel in Marktnischen bereits funktionieren kann.
Mit ihren innovativen Konzepten verschaffen sich die Newcomer zunehmend einen Vorsprung gegenüber den etablierten Anbietern und nutzen dabei das infolge der anhaltenden COVID-19-Pandemie entstehende „Window of Opportunity“, das durch die zunehmende Bereitschaft der Konsumenten zur Nutzung des Online-Lebensmittelhandels gekennzeichnet ist. Den „Proof-of-Concept“ haben die Newcomer bereits geliefert – es gilt nun zu zeigen, dass ihre innovativen Geschäftsmodelle auch flächendeckend und unter den strukturellen und konsumentenspezifischen Herausforderungen nachhaltig profitabel betrieben werden können.
Prof. Dr. Jörg Funder, Geschäftsführender Direktor IIHD Institut
Die Publikationsreihe NEWretail-Reihe, die das IIHD Institut zusammen mit seinem langjährigen Kooperationspartner BearingPoint herausgibt, thematisiert aktuelle und strategisch relevante Fragestellungen von Handels- und Konsumgüterunternehmen. NEWretail hinterfragt bestehende Denkweisen, gibt neue Impulse und zeigt praktisch realisierbare Lösungswege in einer neuen, komplexeren Welt auf. Die Publikationen sind sowohl kritisch als auch provokant formuliert und beziehen klar Stellung.
Über das IIHD Institut
Das IIHD | Institut ist einer der renommiertesten europäischen Think Tanks mit Schwerpunkt auf die Branchen Einzelhandel, Konsumgüter und konsumentennahe Dienstleistungen. Das IIHD | Institut unterstützt weltweit Führungskräfte in multinationalen Organisationen, kleinen und mittelständischen Unternehmen, Private-Equity-Gesellschaften sowie in Nichtregierungsorganisationen und Verbänden bei deren wichtigsten Fragestellungen und Entscheidungen. Dabei verfolgt das IIHD | Institut einen kontextgetriebenen, lösungsorientierten und interdisziplinären Forschungsansatz. Es wendet sich damit von langwierigen und isolierten Forschungsanstrengungen mit unklarer Praxisrelevanz ab. Vielmehr konzentriert sich das IIHD | Institut auf kooperative Forschung mit direkter Wirkung in den Unternehmen.
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