Studie der Unternehmensberatung BearingPoint und des IIHD Instituts: Ungleiche Kräfteverhältnisse zwischen Herstellern und Händlern / Vermeintliche Wertschöpfungspartner im Wettbewerb um Margen und Konditionen
Frankfurt am Main/ Worms, 6. November 2014 – Während in manchen Branchen wie der Textilwirtschaft Handelsunternehmen zunehmend unter Druck durch namhafte Hersteller geraten, zeichnet sich im Lebensmitteleinzelhandel ein konträres Bild ab. So fallen im Segment Fast Moving Consumer Goods (FMCG) die Kräfteverhältnisse zugunsten des Handels aus. Das belegt eine aktuelle Studie der Management- und Technologieberatung BearingPoint und des IIHD Instituts. Die Machtvorteile des Handels basieren demnach auf Größenvorteilen – der größte Lebensmittel-Händler erzielte im Jahr 2012 14,5 Mal mehr Umsatz als der größte FMCG-Hersteller. Hinzu kommt eine hohe und weiter voranschreitende Marktkonzentration auf Seiten der Handelsunternehmen – die fünf größten Handelsunternehmen erwirtschafteten 2012 86,1 Prozent des Gesamtumsatzes der Top 10 Handelsunternehmen. Auf Herstellerseite ist die Marktkonzentration dagegen nur schwach ausgeprägt. Der kumulierte Anteil der Top 5 am Gesamtumsatz der Top 10 FMCG-Hersteller lag im Jahr 2012 nur bei 56,4 Prozent. In Deutschland sind insgesamt 6.000 Hersteller im Bereich der Fast Moving Consumer Goods aktiv. In Folge ergibt sich für Handelsunternehmen eine Fülle von Marken- und Beschaffungsoptionen je Produktkategorie. So nannten beispielsweise bei einer Verbrauchererhebung unter 23.000 Konsumenten die Befragten 15 verschiedene Lieblingsmarken von Tafelschokolade, 30 Marken von Haarshampoo, -spülungen und -kuren und sogar 58 Marken von Bier.
In den jährlichen Einkaufsrunden kommen die ungleichen Machtverhältnisse dann zum Vorschein. Händler stellen Forderungen nach erhöhten Rabatten, Konditionen und Werbekostenzuschüssen, denen Hersteller nur schwer nachkommen können. Den Forderungen verleihen die Händler Nachdruck, indem sie mit der Auslistung aus den Sortimenten drohen oder an vorher ausgewählten Lieferanten ein Exempel statuieren. Getrieben durch zunehmende Preiskämpfe im Handel steigen die Forderungen der Händler an die Hersteller, was in den letzten Jahren zur harten Durchsetzung der Handelsinteressen, der Preis- und Konditionengestaltung und letztlich auch zu Auslistungen geführt hat.
Für Hersteller haben diese bestehenden Konditionsgefüge und Verhandlungspraktiken laut Studie fatale Folgen. So betragen die Investitionen und Rabatte von Herstellern in den Handel häufig mehr als 60 Prozent der Marketingbudgets. Während lediglich 40 Prozent und weniger in Markenaufbau und -bekanntheit investiert werden, leidet langfristig die Ertragskraft und Marken erodieren. Der Aufbau leistungsstarker Herstellermarken, die auch ohne Verkaufsförderungsmaßnahmen stabile Umsätze generieren, ist kaum mehr möglich.
Auch Handelsunternehmen hemmt dieses Vorgehen im Umgang mit Herstellern in ihrer Entwicklung. Denn anstatt Umsatzsteigerungen zu forcieren, werden die Konditionenvorteile von Handelsunternehmen oft genutzt, um in den Preiskampf mit Wettbewerbern zu ziehen und dabei trotzdem eine auskömmliche Marge zu erwirtschaften – eine wenig nachhaltige Wettbewerbsstrategie.
Kay Manke, Partner bei BearingPoint
Ein kooperativer Lösungsansatz, der die Förderung echter Wertschöpfungspartnerschaften forciert, scheint dabei langfristig vielversprechender zu sein. Dies erfordert jedoch ein Umdenken. Konditionen stellen künftig keine Rabatte, sondern Investitionen in eine gemeinsame Partnerschaft dar, die sich zugunsten beider Wertschöpfungspartner und letztlich auch der Konsumenten auswirkt.
Es gilt, ein geeignetes Konditionensystem aufzustellen, das sich von kundenspezifischen Rabatten abkehrt und auf eine gemeinsame Agenda mit den Handelspartnern fokussiert. Zentrale Bestandteile sollten dabei die Identifikation gemeinsamer Ansatzpunkte und die Definition von Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz durch Kostensenkungspotenziale und der Effektivität durch Umsatzsteigerungspotenziale sein.
Professor Jörg Funder, IIHD Institut
Das strikte Festhalten an alt’bewährten’ Praktiken im Umgang zwischen Handel und Hersteller liegt jedoch meist nicht an der mangelnden Einsicht in die Notwendigkeit einer Kooperation.
Die fehlende Einsicht, Rabatte als Investitionen zu sehen, sowie Misstrauen gegenüber dem Wertschöpfungspartner hemmen die Zusammenarbeit.
Professor Jörg Funder, IIHD Institut
So bleibt es oft beim Status quo:
Händler fürchten, auf Konditionen verzichten zu müssen; Hersteller hingegen treibt die Angst, bei strategisch wichtigen Handelsunternehmen ausgelistet zu werden. Um das zu ändern, ist ein kultureller Wandel unerlässlich.
Kay Manke, Partner bei BearingPoint
>Grafik: Ungleiche Kräfteverhältnisse zwischen Herstellern und Händlern. In den jährlichen Einkaufsrunden kommen diese zum Vorschein, indem Händler an die Hersteller nur schwer umsetzbare Forderungen stellen, die langfristig fatale Folgen haben können.
Nach einem erfolgreichen ersten Jahr geht die Publikationsreihe Red Paper | Retail & Consumer, die das IIHD | Institut zusammen mit seinem Kooperationspartner BearingPoint herausgibt, nun in die zweite Runde. In einem Jahr voller spannender Themen, Herausforderungen und innovativer Lösungsansätze thematisieren und diskutieren die Red Paper aktuelle und strategisch relevante Fragestellungen von Handels- und Konsumgüterunternehmen. Dabei geben sie Denkanstöße und zeigen realisierbare Alternativen auf. Die Red Paper sind sowohl kritisch als auch provokant formuliert und beziehen klar Stellung. Zur Stärkung der Kooperation initiierte BearingPoint ein Competence Center ’SIM – Strategie & Internationales Management’ am IIHD | Institut, das sich als Think Tank versteht und die relevanten Themen der Zeit reflektiert und kritisch hinterfragt.
BearingPoint Berater haben immer im Blick, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen permanent verändern und die daraus entstehenden komplexen Systeme flexible, fokussierte und individuelle Lösungswege erfordern. Unsere Kunden, ob aus Industrie und Handel, der Finanz- und Versicherungswirtschaft oder aus der öffentlichen Verwaltung, profitieren von messbaren Ergebnissen, wenn sie mit uns zusammenarbeiten. Wir kombinieren branchenspezifische Management- und Fachkompetenz mit neuen technischen Möglichkeiten und eigenen Produkt-Entwicklungen, um unsere Lösungen an die individuellen Fragestellungen unserer Kunden anzupassen. Dieser partnerschaftliche, ergebnisorientierte Ansatz bildet das Herz unserer Unternehmenskultur und hat zu nachhaltigen Beziehungen mit vielen der weltweit führenden Unternehmen und Organisationen geführt. Unser globales Beratungs-Netzwerk mit 9200 Mitarbeitern unterstützt Kunden in über 70 Ländern und engagiert sich gemeinsam mit ihnen für einen messbaren und langfristigen Geschäftserfolg. Weitere Informationen finden Sie unter www.bearingpoint.com und in der BearingPoint Toolbox: http://toolbox.bearingpoint.de
Das IIHD | Institut ist ein An-Institut der Hochschule Worms. Unabhängig und eigenfinanziert versteht sich das IIHD | Institut als Themenbildner und Partner der Branchen Handel, Konsumgüter und konsumentennahe Services. Das IIHD | Institut verfolgt einen kontextgetriebenen, problemfokussierten & interdisziplinären Forschungs- und Beratungsansatz. Es wendet sich damit von langwierigen, isolierten Forschungs-bestrebungen mit unklarem Praxisbezug ab. Vielmehr wird in kooperativen Projekten Forschung mit direkter Wirkung in den Unternehmen betrieben. Praxis- und anwendungsbezogene Forschung, Beratung und Weiterbildung sind dabei in themenbezogene Competence Center gegliedert.
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