Studie der Unternehmensberatung BearingPoint und des IIHD Instituts: Bei vielen deutschen Händlern sind oft hausgemachte Probleme die Ursache für die mangelnde Forcierung von Innovationen

Frankfurt am Main/ Worms/Zürich, 10. März 2015 – Im internationalen Vergleich mit den USA und UK hinken deutsche Handelsunternehmen bei der Adaption von Innovationen meist drei bis fünf Jahre hinterher. So werden Innovationen erst mit großer Zeitverzögerung umgesetzt oder es kommt gar zum Scheitern. In der Praxis lassen sich dafür insbesondere hausgemachte Ursachen beobachten. Das ist das Ergebnis einer Studie der Management- und Technologieberatung BearingPoint und des IIHD Instituts.

Hausgemachte Probleme behindern Innovationen

Laut der Studie fokussieren sich deutsche Handelsunternehmen oft auf operative Exzellenz anstatt auf eine zukunftsweisende Strategie; Innovationen spiegeln sich dabei fast ausschließlich in kurzfristig angelegten Prozessoptimierungen wider, bei denen es um reine Effizienzsteigerungen geht und nicht um langfristige Entwicklungen. Innovations-Portfolios hingegen werden meist nur unzureichend gemanagt. Dies kann letztlich zum Scheitern der gesamten Projektlandschaft führen. Außerdem beurteilt der hiesige Handel Initiativen in vielen Fällen undifferenziert. So werden „Big Ideas“ häufig nicht wahrgenommen oder als nicht relevant eingeschätzt.

Dabei sind gerade die Denkweisen ‚das betrifft uns nicht’, ‚unsere Kunden wollen das nicht’ oder ‚das haben wir noch nie gemacht’ Legitimation für das bewusste Auslassen von Innovationen.

Kay Manke, Partner bei BearingPoint

Zudem wird häufig der sukzessive Wissens- und Kompetenzaufbau vernachlässigt, was insbesondere in Zeiten stetigen Wandels die Grundlage für die Schaffung immer wieder neuer Wettbewerbsvorteile und damit Zeitvorsprünge darstellt. Dabei geht es vor allem um das Erkennen relevanter, meist schwacher Signale, die starken Signalen, zum Beispiel abgeleitet aus finanzbasierten Kennzahlen, typischerweise vorausgehen.

Professor Jörg Funder, IIHD Institut

Wenige, aber grundlegende Innovationen bestimmen die Handelslandschaft der Zukunft

Ein Innovationsradar zeigt, dass die Handelslandschaft in nächster Zukunft von wenigen, jedoch grundlegenden Trends und Entwicklungen geprägt werden wird, auf die es sich einzustellen gilt:

  • Cross-Channel-Handel mit mehreren Touchpoints als Teil einer Marke gewinnt an Bedeutung. Der Fokus dieser Innovation liegt bei der integrierten Datengewinnung und -konsolidierung, die den Wegbereiter einer zunehmenden Digitalisierung des Handels darstellt.
  • „Advanced Analytics“ hält Einzug in den Handel. Analysemethoden bieten die Möglichkeit, wieder näher an den Kunden heranzurücken, um somit dessen Anforderungen besser verstehen und erfüllen zu können. Deren Einführung erfordert jedoch auch weitreichende Veränderungen der Management- und Organisationsstrukturen, der IT-Infrastruktur sowie etablierter Entscheidungsprozesse und Arbeitsabläufe.
  • Merchandising wird zur Wissenschaft. Vor dem Hintergrund der wachsenden Relevanz von Warenbeständen als Investment der Handelsunternehmen, steigender Risiken durch hohe Altwarenbestände und Ladenhüter und den Folgen hoher Retourenquoten, gewinnt das Thema Merchandising besonders im Textilhandel an Bedeutung. Technologische und wissenschaftliche Neuerungen von Systemen und Modellen der Warenplanung und -disposition bieten hohes Optimierungspotenzial.
  • „Mobile Commerce“ stärkt die Bedeutung der Filiale als zentralen Touchpoint. Insbesondere das Smartphone spielt dabei eine wichtige Rolle. Es verbindet beide Welten miteinander (z.B. durch QR-Codes oder Near Field Communication (NFC)) und steigert so das Kundenerlebnis. Gleichzeitig wird die Filiale zum dezentralen Warenlager und Distributionszentrum, in dem der Kunde online bestellte Ware abholen kann. So wird ein wesentlicher Vorteil der Filiale ausgespielt – der direkte Erhalt der Ware.
  • Geschwindigkeit wird zum neuen Paradigma. Die Halbwertszeit von Innovationen und Wettbewerbsvorteilen nimmt ständig ab. Schnelligkeit wird zur Grundlage der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. So forciert z. B. der Kundenwunsch nach sofortigem Erhalt der Ware die fortwährende Optimierung der Lieferzeiten im Online-Handel. Mit „Anticipatory Shipping“ arbeitet zum Beispiel Amazon an einer innovativen Idee, Ware bereits zu versenden, bevor der Kunde diese tatsächlich bestellt hat.

Vieles von dem, was heute noch nach Science Fiction klingt, wird schon bald zur Realität. Bei der Adaption dieser Neuerungen werden sich zur Innovation bereite Händler schnell von ihren Konkurrenten absetzen.

Professor Jörg Funder, IIHD Institut

Dabei wird sich ein neues Bild des deutschen Handels ergeben: Die Kluft zwischen innovationsfähigen Handelsunternehmen, die ihren Wettbewerbern einen Schritt voraus sind, und altbewährten Händlern, die sich im Kampf um immer niedrigere Margen rein auf Effizienzsteigerungen und Prozessoptimierungen konzentrieren, wird in der Folge immer größer – die Chance, vor allem für letztere, im Wettbewerb langfristig zu bestehen, hingegen immer geringer.

Kay Manke, Partner bei BearingPoint

Grafik: Durch Innovation kann ein neues Produkt entstehen (Sachdimension), ein Prozess verbessert (Zeitdimension) und ein Nutzen etwa für einen Anwender generiert werden (Sozialdimension).

Die vollständige Studie finden Sie hier zum Download: Innovationsradar Handel

Über die Red Paper Publikationsreihe

Nach zwei erfolgreichen Jahren geht die Publikationsreihe Red Paper | Retail & Consumer, die das IIHD Institut zusammen mit seinem langjährigen Kooperationspartner BearingPoint herausgibt, nun in die dritte Runde. In einem Jahr voller spannender Themen, Herausforderungen und innovativer Lösungsansätze thematisieren und diskutieren die Red Paper aktuelle und strategisch relevante Fragestellungen von Handels- und Konsumgüterunternehmen. Dabei geben sie Denkanstöße und zeigen realisierbare Alternativen auf. Die Red Paper sind sowohl kritisch als auch provokant formuliert und beziehen klar Stellung. Zur Stärkung der Kooperation initiierte BearingPoint ein Competence Center ’SIM – Strategie & Internationales Management’ am IIHD Institut, das sich als Think Tank versteht und die relevanten Themen der Zeit reflektiert und kritisch hinterfragt.

Über BearingPoint

BearingPoint Berater haben immer im Blick, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen permanent verändern und die daraus entstehenden komplexen Systeme flexible, fokussierte und individuelle Lösungswege erfordern. Unsere Kunden, ob aus Industrie und Handel, der Finanz- und Versicherungswirtschaft oder aus der öffentlichen Verwaltung, profitieren von messbaren Ergebnissen, wenn sie mit uns zusammenarbeiten. Wir kombinieren branchenspezifische Management- und Fachkompetenz mit neuen technischen Möglichkeiten und eigenen Produkt-Entwicklungen, um unsere Lösungen an die individuellen Fragestellungen unserer Kunden anzupassen. Dieser partnerschaftliche, ergebnisorientierte Ansatz bildet das Herz unserer Unternehmenskultur und hat zu nachhaltigen Beziehungen mit vielen der weltweit führenden Unternehmen und Organisationen geführt. Unser globales Beratungs-Netzwerk mit 9.700 Mitarbeitern unterstützt Kunden in über 70 Ländern und engagiert sich gemeinsam mit ihnen für einen messbaren und langfristigen Geschäftserfolg.

Weitere Informationen finden Sie unter www.bearingpoint.com und in der BearingPoint Toolbox: http://toolbox.bearingpoint.com/ch

Über das IIHD Institut

Das IIHD Institut ist ein An-Institut der Hochschule Worms. Unabhängig und eigenfinanziert versteht sich das IIHD Institut als Themenbildner und Partner der Branchen Handel, Konsumgüter und konsumentennahe Services. Das IIHD Institut verfolgt einen kontextgetriebenen, problemfokussierten & interdisziplinären Forschungs- und Beratungsansatz. Es wendet sich damit von langwierigen, isolierten Forschungs-bestrebungen mit unklarem Praxisbezug ab. Vielmehr wird in kooperativen Projekten Forschung mit direkter Wirkung in den Unternehmen betrieben. Praxis- und anwendungsbezogene Forschung, Beratung und Weiterbildung sind dabei in themenbezogene Competence Center gegliedert.

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